08.08.2008

Den Mekong bezwingen

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Den Mekong bezwingen

Die Franzosen wollten im 19. Jahrhundert über den Mekong den Süden Chinas erschließen. Die Versuche, den Oberlauf schiffbar zu machen, scheiterten jedoch, weil der Fluss im chinesisch-laotischen Grenzgebiet eng und klippenreich ist. Leutnant Mazeran, der im Auftrag der Armee erstmals diesen Abschnitt des Mekong erkundete, notierte im November 1896: „Leider wird das Flussbett durch große Felsbrocken versperrt, weshalb die kurvenreiche Fahrrinne hier nur dreißig Meter breit ist. Mit unserer letzten Schießbaumwolle und dem in Bälde erwarteten Dynamit werde ich dieses Hindernis beseitigen.“1

Aber auch Mazeran konnte diesen Mekong-Abschnitt nicht bezwingen. Im 20. Jahrhundert verhinderten die Konflikte unter den Anrainerstaaten eine Erschließung des Oberlaufs, speziell im Goldenen Dreieck zwischen Thailand, Laos und Birma. Dagegen blühte der Handel, vor allem mit Opium und Methamphetaminen, begünstigt durch das ethnische Mosaik der Bewohner und das unwegsame, nur von Maultierpfaden durchzogene Gelände.

In jüngster Zeit trat China auf den Pland und verkündete für seinen Abschnitt des Mekong (Langcang) – das sind 2 130 Kilometer oder die Hälfte seiner Gesamtlänge – mehrere Großvorhaben: Errichtung von Staudämmen, Sprengung von Flussschnellen, Abtragen von Sandbänken.2 Doch Umweltschützer fürchten um die einzigartige Artenvielfalt in diesem letzten fast unberührten Strom der Welt. Immerhin ernährt er 70 Millionen Menschen, die 17 Prozent des weltweiten Binnenfischerei-Ertrags erzielen. Die Proteste nahmen zu, als klar wurde, dass die gravierenden Eingriffe nicht nur Yunnan und das westliche Tibet betreffen würden.

China konnte jedoch die Zustimmung der drei Anrainerstaaten Birma, Laos und Thailand erreichen, die 1999 einem Joint Commitee on the Coordination of Commercial Navigation (JCCCN) beitraten.3 Zur Begründung der Projekte hieß es, sie verbesserten die Sicherheit der Schifffahrt, förderten Handel und Tourismus und seien speziell im Zusammenhang mit der Modernisierung des regionalen Straßen- und Eisenbahnnetzes unerlässlich (siehe nebenstehender Artikel). Wie der laotische Kapitän Bounphet Phommachanh berichtet, wurden die gefährlichsten Stromschnellen zwischen Jinghong und Chiang Saen bereits entschärft: „Klippen und kleine Inseln wurden gesprengt. Jetzt ist der der Fluss selbst außerhalb der Regenzeit fast ungehindert befahrbar.“

Die Frage ist, ob das Projekt den Chinesen dazu dienen soll, mittels einer strategischen Wasserstraße ihre Hegemonialansprüche durchzusetzen, oder ob ihnen mehr am enormen Potenzial der Wasserkraft liegt. Die Französin Bérengère Prince arbeitet bei der Mekong-Kommission in Vientiane. Sie dämpft die Spekulationen westlicher Medien: „Seit 2004 findet ein Austausch hydrometeorologischer Daten statt. Zudem streben wir in Teilabschnitten des Flusses eine technische Zusammenarbeit an. Eine Gefährdung für den Mekong ist nicht so sehr der zu erwartende stärkere Schiffsverkehr als vielmehr die Auswirkungen der Stauanlagen auf die Fließdynamik.“

500 Kilometer nördlich der laotischen Hauptstadt befahren den oberen Mekong am Ende der Trockenzeit nur wenige Schiffe. Es sind altersschwache Kleinfrachter und motorisierte Touristenpirogen. Neuerdings befördert eine winzige Flussfähre viermal die Woche etwa 50 Passagiere von China direkt nach Thailand, ohne in Laos anzulegen.

Die Fahrt geht durch eine fantastische, über flachen Uferfelsen aufragende Urwaldlandschaft. Als wir den chinesischen Teil des Flusslaufs südlich von Jinghong und Guanlei hinter uns haben, ragen immer wieder Klippen aus dem Wasser. Fließgeschwindigkeit und Gefälle ändern sich abrupt. Als wir die Stromschnellen hinter uns haben und der Mekong die Grenze zwischen Laos und Birma bildet, wird der niedrige Wasserstand zum Problem: Zwei Stunden lang steckt das Schiff im Sand fest. Von da an müssen Männer mit Stangen laufend die Wassertiefe messen.

Dann lockert sich die Uferbewaldung und die ersten Dörfer tauchen auf. Bei Einbruch der Nacht zeigt die riesige, beleuchtete Buddha-Figur am rechten Ufer an, dass wir Thailand erreicht haben. Auf laotischer Seite kommt Ton Pheung in Sicht, aber unser Ziel ist Chiang Saen am thailändischen Ufer. Mit vier Stunden Verspätung kommen wir an. Es wird noch lange dauern, bis dieser Teil des Mekong zu der geplanten wirtschaftlichen Achse wird. X. M.

Fußnoten: 1 Zitiert von Luc Lacroze in: „Les Grands Pionniers du Mékong“, Paris (L’Harmattan) 1996. 2 Vgl. Wu Zirun, „Chinese visions for Lancang-Mekong navigation“, Bericht für die Mekong-Kommission, Phnom Penh, 3./4.September 2003. 3 Die JCCCN konkurriert mit der Mekong-Kommission, der China nicht angehört.

Le Monde diplomatique vom 08.08.2008, von X. M.