07.08.2009

Ufos, Invasoren, Verschwörungen

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Ufos, Invasoren, Verschwörungen

Die Metaphysik der fliegenden Untertassen von Pierre Lagrange

Spekulationen über die Existenz von Außerirdischen gibt es seit der Antike, doch erst mit Herbert George Wells’ „Krieg der Welten“ von 1898 begann man sich auszumalen, wie Wesen aus dem All unseren Planeten einnehmen könnten. Zu neuen Ruhm gelangte der Roman 1938, als der damals 23-jährige Orson Welles für den Radiosender CBS eine Hörspieladaption inszenierte. Sein Stück beginnt mit mehreren beunruhigenden Meldungen: Astronomen hätten an der Oberfläche des Mars Lichter entdeckt, und es seien außerdem gleichzeitig mehrere Meteoriten abgestürzt. Die Ereignisse überschlagen sich, als sich herausstellt, dass die vermeintlichen Meteoriten Raumschiffe vom Mars sind, die die ganze Menschheit bedrohen. So wird der CBS-Reporter, nachdem er die ersten Schreie der Opfer übertragen hat, vom tödlichen Strahl aus der Laserwaffe eines Marsianers getroffen.

Am darauffolgenden Tag war in der Presse nur noch von der sensationellen Täuschung die Rede, die Welles mit seinem Hörspiel gelungen sei: „Die verängstigten Hörer halten eine Fiktion über den Krieg für die Realität“, titelte am 31. Oktober 1938 die New York Times. Und der Boston Herald: „Eine angebliche Marsinvasion versetzt das Land in Angst und Schrecken.“ In zahllosen Artikeln wird das Entsetzen von tausenden Hörern beschrieben, die die Meldungen über die Marsmenschen für bare Münze genommen und versucht hätten, vor den extraterrestrischen Eindringlingen zu fliehen. Noch Jahre später wurde darüber berichtet. Tatsächlich handelte es sich bei der Berichterstattung über Massenpanik, Selbstmorde und Plünderungen um die größte Zeitungsente der Geschichte.1 Nur wenige erschrockene Hörer, die die Fiktion nicht als solche erkannt hatten, waren damals interviewt worden, wurden aber von allen immer wieder zitiert.

Neun Jahre später schien die Fantasie von Wells und Welles Wirklichkeit geworden zu sein: Es war an einem Mittwoch, genauer gesagt, am 25. Juni 1947, als die Presse meldete, in der Nähe des Vulkans Mount Rainier im US-Bundesstaat Washington seien Außerirdische gesichtet worden. Am Vortag hatte der Hobbypilot Kenneth Arnold neun merkwürdige Flugkörper gesichtet, mit rundem Bug und dreieckigem Heck. Das erzählte er Pilotenfreunden und Journalisten vom East Oregonian in Pendleton, Oregon, die die seltsamen Erscheinungen flugs als flying saucer, fliegende Untertasse, oder flying disk, fliegende Scheibe, bezeichneten. In den folgenden Wochen und Monaten berichtete die Presse von hunderten ähnlicher Beobachtungen. Es war die erste große Welle der Sichtung von Ufos (unidentified flying objects), wie der ein paar Jahre später eingeführte und bald international anerkannte Name für die unidentifizierten Flugobjekte lautete. Auch wenn die meisten das Phänomen als Aberglaube oder pure Einbildung abtaten, so waren doch bald einige der festen Überzeugung, dahinter verberge sich ein streng gehütetes Geheimnis. Bereits im September 1947 wurde J. Edgar Hoover, der Chef des FBI, allen Ernstes gefragt, ob er an der Verschleierung der Fakten über die mysteriösen Flugkörper beteiligt sei .

Science-Fiction-Zeitschriften wie Amazing Stories begannen die neuesten von Lesern kolportierten Gerüchte über abgestürzte Ufos zu veröffentlichen, die von der Armee entdeckt und sofort versteckt worden seien. Diese Geschichten wurden zunächst nur von wenigen zur Kenntnis genommen.

Das änderte sich ab 1950 mit dem Erscheinen des Bestsellers „Behind the Flying Saucers“ von Frank Scully, der Kolumnist beim Hollywood-Magazin Variety war. Zu diesem Zeitpunkt traten auch die ersten Amateur-Ufo-Forscher auf den Plan; sie organisierten sich und veröffentlichten sogar Berichte. Zwei Tendenzen begannen sich abzuzeichnen: Die einen vertraten die Auffassung, man müsse vor allem Augenzeugenberichte sammeln, um damit die Existenz von Ufos zu beweisen, die anderen verdächtigten die US-amerikanische Luftwaffe, bereits im Besitz des Beweises zu sein oder zumindest über ernstzunehmende Hinweise zu verfügen. Die 1952 gegründete Aerial Phenomena Research Organization (Apro) gehörte zur Fraktion der Beweissammler.

Friedensgrüße aus dem All

Das National Investigation Comittee on Aerial Phenomena (Nicap), das vier Jahre später ins Leben gerufen wurde, hielt an der zweiten Theorie fest und verlangte die Offenlegung der angeblich von der Armee geheim gehaltenen Informationen. Major Donald Keyhoe, ein ehemaliger Soldat des US-Marine-Corps und Autor erfolgreicher Ufo-Bücher, wurde 1957 Vorsitzender des Nicap. Er verstand es, einflussreiche Persönlichkeiten aus Medien, Militär und Politik für das Komitee zu gewinnen, zum Beispiel Admiral Roscoe Henry Hillenkoetter, den ersten Chef der 1947 gegründeten Central Intelligence Agency (CIA).

Doch obwohl Keyhoe der Armee vorwarf, sie habe Fakten zurückgehalten, wies er Scullys vermeintliche Enthüllungen über Unfälle von Ufos zurück; die übrigens auch von einem kalifornischen Journalisten widerlegt wurden, der herausgefunden hatte, dass Scullys Informanten dem FBI als Betrüger einschlägig bekannt waren.

Neben dem Nicap, der Apro und anderen Organisationen der sogenannten Ufologie entstanden kleine Underground-Gruppierungen, die ein tolles Theater um die fliegenden Untertassen veranstalteten: Sie nährten Gerüchte über Ufo-Stützpunkte in der Antarktis, geheimnisvolle schwarze Männer (die berühmten men in black), verunglückte fliegende Untertassen und geheime Treffen zwischen Präsident Eisenhower und den Außerirdischen. „Kontaktierte“, die das Glück hatten, den extraterrestrischen Piloten leibhaftig begegnet zu sein, übermittelten bei öffentlichen Vorträgen Friedensbotschaften und andere Nachrichten aus dem All. Ihr berühmtester Vertreter, George Adamski, wurde 1959 sogar von Königin Juliana von Holland empfangen.

In den 1960er-Jahren entwickelte sich eine bemerkenswerte öffentliche Kontroverse über Ufos. Forscher der jüngeren Wissenschaftlergeneration nahmen die Theorien über die Außerirdischen sehr ernst und teilten die Fragestellungen der Ufologen. Diese Entwicklung fiel zusammen mit einer wachsenden Kritik an dem Ufo-Forschungsprogramm der U.S. Air Force. Die Luftwaffe hatte ihren wissenschaftlichen Berater, den Astronomen Josef Allen Hynek, tatsächlich direkt damit beauftragt, für eine Reihe von spektakulären Ufo-Sichtungen eine Erklärung zu erfinden: Augenzeugen hatten berichtet, dass im März 1966 ein Geschwader fliegender Untertassen in einem Sumpfgebiet im Bundesstaat Michigan gelandet wäre. Hynek kam auf die Idee, das Phänomen mit Irrlichtern zu erklären, verursacht durch Sumpfgas. Das war wohl kein guter Einfall gewesen. Nicht nur die Presse fiel über ihn her, auch Politiker, allen voran der Republikaner und spätere US-Präsident Gerald Ford (1974–1977), damals noch Mitglied des Repräsentantenhauses für Michigan, forderten Aufklärung.

Die wissenschaftliche Kontroverse nährte immer mehr den Verdacht, dass Informationen geheim gehalten wurden. Das Pentagon trennte sich schließlich von seinem Ufo-Forschungsprogramm, dem „Project Blue Book“, und betraute eine Forschungskommission an der Universität Colorado mit dem heißen Eisen. Die Leitung übernahm der brillante Wissenschaftler und für seine Unvoreingenommenheit bekannte Physiker Edward Condon. Condon war zunächst offen für alle Theorien, kam aber 1968 zu einer für Ufologen enttäuschenden Schlussfolgerung: Man könne zwar nicht die Nichtexistenz von Ufos beweisen (Condons Bericht enthält eine Reihe von Fällen, die sein Team nicht aufklären konnte), doch sei das Thema aus wissenschaftlicher Sicht uninteressant und deshalb solle die Ufo-Forschung nicht mehr öffentlich gefördert werden. Dieses Urteil trennte die Ufologen- von der Wissenschaftskultur. Für viele Ufologen war unbegreiflich, warum die Wissenschaftler sich dem Thema nicht zuwenden wollten, und verdächtigten sie mitunter der Mittäterschaft an der „stillen Verschwörung“.

Derweil traten weitere Autoren mit neuen Theorien auf den Plan, was auch nicht weiter verwunderlich ist, denn das Phänomen entzieht sich nun mal einer wissenschaftlichen Beweisführung. Der Astronom und Informatiker Jacques Vallée, der in seinem Buch „Passport to Magonia“ (1969) Berichte über Begegnungen mit Ufo-Piloten in die Nähe von Volkslegenden und Märchen über „die kleinen Leute“ (Trolle, Wichtel, Kobolde und so weiter) rückte, vertrat die Theorie, das Phänomen organisiere seine eigene Verschleierung.1 Auch der Schriftsteller John A. Keel betrachtete die Ufos, die oft als Lichtphänomene beschrieben wurden, nicht als konkrete Flugkörper, sondern als die Form, in der die Erde, die als lebendes Wesen betrachtet wird, in Erscheinung trete.2

Verschwörungstheorien und die Roswell-Affäre

Der Einfluss der Verschwörungstheorie blieb zunächst begrenzt. Erst in den 1970er-Jahren, als nach der Watergate-Affäre in den USA der Zugang zu Verwaltungsdokumenten erleichtert wurde, stieß die Behauptung, es handle sich hier um eine „stille Verschwörung“, auf ein breiteres Interesse. Nachdem FBI, CIA und sogar die Nationale Sicherheitsbehörde NSA mit Anfragen überflutet wurden, veröffentlichten sie ihre Dokumente. Es stellte sich heraus, dass die Behörden fälschlicherweise behauptet hatten, es hätten keine Untersuchungen über Ufos stattgefunden.

An der Popularisierung der Verschwörungstheorie wirkte maßgeblich Steven Spielbergs Science-Fiction-Film „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ von 1977 mit. In dem Film geht es um ein geheimes Regierungsprogramm, mit dessen Hilfe die Erdbewohner in Kontakt mit Außerirdischen treten können. Die Öffentlichkeit wird von den Behörden getäuscht, während überall auf der Welt extraterrestrische Wesen auftauchen und die Menschen in ihren Bann ziehen.

Drei Jahre nach Spielbergs Film erschien das erste Buch über den sogenannten Roswell-Zwischenfall3 (von dem bis dahin kaum jemand gehört hatte). Es war ein großer Erfolg. Darin wird von dem angeblichen Crash einer fliegenden Untertasse im Juli 1947 in Roswell (New Mexico) berichtet; die Wrackteile und Habseligkeiten der Außerirdischen seien damals vom Militär beiseitegeschafft worden. Die Roswell-Story und zahlreiche Berichte über Raumschiffe, die von der US-Luftwaffe versteckt worden seien (kolportiert der Ufologe Leonard Stringfield), stießen auf ein wachsendes Interesse. Dass Roswell aber seit Mitte der 1990er-Jahre zu einem stehenden Begriff wurde, lag an einer ganzen Serie von Ereignissen.

Es begann 1987, als auf einem Ufologen-Kongress in Washington vermeintliche Topsecret-Dokumente über eine Arbeitsgruppe namens Majestic-12 auftauchten, die Harry S. Truman angeblich 1947 beauftragt haben sollte, sich mit dem Roswell-Zwischenfall zu befassen. Die Echtheit der Unterlagen, die anonym eingereicht worden waren, wurde in Zweifel gezogen. Schließlich konnte zwar bewiesen werden, dass es sich um eine Fälschung handelte. Doch die Fälscher hatten dafür ein anderes Ziel erreicht: Durch die Verbreitung der Dokumente war die Roswell-Affäre nun in aller Munde.

Die Ufologen starteten daraufhin eine Kampagne, die schließlich dazu führte, dass der US-Rechnungshof Ermittlungen zur Rolle der Air Force in der Roswell-Affäre einleitete. In der Hoffnung, einen Schlussstrich unter die Geschichte setzen zu können, veröffentliche die Luftwaffe 1994 einen umfangreichen Bericht, worin sie erklärte, bei dem Roswell-Ufo habe es sich um einen Spionageballon gehandelt, der im Rahmen eines Geheimprogramms entsandt worden sei. Zeitgleich startete die Fernsehserie „Akte X“, die den Verschwörungstheorien über Ufos neue Nahrung gab. Und es kursierte ein Video, das die angebliche Obduktion eines Außerirdischen dokumentierte.

Die Majestic-12-Geschichte, die als Fälschung enttarnt worden war, entfaltete ein unkontrolliertes zweites Leben, indem sie sich mit früheren Geschichten vermischte. Anfang der 1970er-Jahre, so wurde kolportiert, sei ein Fernsehproduzent an geheime Filme gekommen, die eine Begegnung zwischen Außerirdischen und Soldaten auf dem Holloman-Luftwaffenstützpunkt in New Mexico zeigten. Diese Legende sowie eine Reihe von Geschichten über merkwürdige Machenschaften eines Agenten des Geheimdienstes der US-Luftwaffe Afosi auf dem Kirkland-Luftwaffenstützpunkt wurden ergänzt durch eine Flut von Gerüchten über unterirdische Ufo-Basen, Verträge zwischen der US-Armee und Wesen aus dem All und Entführungen von Menschen zum Zweck genetischer Manipulationen und Hybridenzeugung.

1990 schalteten sich Individuen, die nicht nur zur Ufo-Szene gehörten, über das Netzwerk Paranet, einen Vorläufer des Internet, in die Diskussionen ein und behaupteten, Informationen über ein Watergate im Weltraum zu besitzen. Diese Leute gehörten zur amerikanischen extremen Rechten und waren zum Teil ehemalige Militärs. Die Beiträge über die sogenannte große Verschwörung nahmen immer fantastischere Züge an. John Lear, ehemaliger CIA-Pilot und Sohn des Flugzeugbauers, und Milton William Cooper, ehemaliger Soldat bei den Marines und der militanten rechtsextremen Szene zugehörig, taten sich mit einem gewissen Robert Lazar zusammen, der angeblich in der geheimen „Zone 51“ (Nevada) als Ingenieur und Physiker auf Ufos gearbeitet hatte, und produzierten eine neue haarsträubende Verschwörungsgeschichte, die von den Autoren der TV-Serie „Akte X“ weidlich ausgeschlachtet wurde. Der phänomenale Erfolg der Serie verlieh diesen Storys den Status einer Volksmythologie. Mit Ausnahme des französischen Science-Fiction-Schriftstellers Jimmy Guieu wollten jedoch die meisten Ufologen mit dieser Art von Literatur nichts zu tun haben und kritisierten vehement dergleichen „Enthüllungen“.

Wissenschaftler oder Spinner

Es liegt nahe, zwischen den verschiedenen Strömungen nicht weiter zu differenzieren und sämtliche Ufologen zu bloßen Anhängern von Verschwörungstheorien zu erklären; doch man muss auch sehen, dass es eine zunehmende Tendenz hin zum Irrationalismus gibt. Auf diese Weise lässt sich eine unverfälschte Wissenschaftskultur von obskurantistischen volkstümlichen Vorstellungen abgrenzen, ein bisschen wie früher die Unterscheidung zwischen wahrer Religion und Aberglauben.

Die Ufologen werden weder von der Politik noch von der Wissenschaft ernst genommen. Betrachtet man jedoch die Geschichte der Wissenschaftskultur, so entdeckt man, dass auch sie ursprünglich auf einer Verschwörungstheorie basierte: Bevor sie sich durchsetzen konnte, musste die Wissenschaft erst einen erbarmungslosen Kampf mit den aufklärungsfeindlichen Mächten einer omnipotenten Kirche ausfechten – Galilei gegen die Inquisition. In unserer populären Vorstellung von der Wissenschaft gehen wir üblicherweise davon aus, dass die sogenannte objektive Wahrheit, kaum dass sie ans Licht gekommen ist, sofort die unterschiedlichsten Interessen gegen sich hat.

Der Diskurs über die Ufo-Verschwörung lässt sich direkt auf diese weit verbreitete Betrachtungsweise der Wissenschaften beziehen: Dass es nämlich nicht im Interesse der Mächtigen sei, dass Volk aufzuklären, und man es deshalb im Zustand der Unwissenheit halte. Unsere Darstellung der Wissenschaftsgeschichte ist eng verknüpft mit dieser Auffassung von einer „obskurantistischen Verschwörung gegen die Vernunft“ – wie sie der österreichische Philosoph Karl Popper bezeichnet hat. In seinem 1963 erschienenen Buch „Vermutungen und Widerlegungen“ widerspricht er heftig diesem Denkkonstrukt.

Die Menschen, die an Ufo-Verschwörungen „glauben“, tun dies also nicht aus Wissenschaftsfeindlichkeit, sondern im Gegenteil, weil sie glauben, den Kampf der wissenschaftlichen Wahrheit gegen die Inquisition fortzusetzen. Die Rekordverkaufszahlen des Buchs „Was macht der Fakir auf dem Nagelbrett?“ des Physiknobelpreisträgers Georges Charpak4 legen nahe, dass Gelehrte wie Ungelehrte die Vorstellung teilen, das Wissen werde von der Macht bekämpft. „Die Renaissance magischer, okkulter und paranormaler Praktiken ist sehr schnell vonstatten gegangen“, schreibt Charpak. „Sogar so schnell, dass man sich mit Recht einmal die Frage stellen muss: Welche Umstände haben dieses Bedürfnis erzeugt und vielleicht unbewusst zu seiner Ausbreitung beigetragen?“ Charpak zitiert den Genetiker Albert Jacquard mit den Worten: „Viele Machthaber träumen davon, die Staatsbürger in unterwürfige Schafe zu verwandeln. Es gibt zahlreiche Mittel, um dieses Ziel zu erreichen: Sie mit Parawissenschaften zu füttern, kann recht wirksam sein.“

Beharrt man auf der Trennung zwischen rationalistischer und „paranormaler“ Kultur, wird man den großen Erfolg von Charpaks Buch nicht begreifen können. Viele Leser sehen deutliche Analogien zwischen dem historischen Krieg der Kirche gegen die wissenschaftliche Erkenntnis zur Zeit Galileis und einer zeitgenössischen Verschwörung gegen die Wahrheit über Ufos. Dem starren Rationalismus wird mit dem gleichen Misstrauen begegnet wie früher der Kirche, als sie Galilei vor die Inquisition zerrte.

Der Historiker und Galilei-Experte Stillman Drake fragt sich allerdings, ob Galilei, der sich übrigens keineswegs als Verfechter der wissenschaftlichen Wahrheit gegen religiöse Aufklärungsfeindlichkeit verstanden wissen wollte, nicht viel eher versucht habe, den Glauben zu schützen. Drake schlägt vor, die Geschichte Galileis auch aus dieser Perspektive, nicht nur aus der einer konstruierten Verschwörung der Kirche zu betrachten.5

Kann die Geschichte der Verschwörungstheorien über die Ufos nicht in ähnlicher Weise interpretiert werden? Man könnte, statt sich über die mangelnde Glaubhaftigkeit der Verschwörungstheorien zu mokieren, auch überlegen, ob die Menschen, deren seltsame Theorien denen der Rationalisten so ähnlich sind, nicht in gleicher Weise einer „heroischen“ Anschauung von der Wissenschaft anhängen.

Fußnoten: 1 Siehe Jacques Vallée, „Le Collège invisible“, Paris (Albin Michel) 1975. 2 John A. Keel, „Die Mothman Prophezeiungen – Tödliche Visionen“, München (Heyne) 2002. 3 Charles Berlitz, „Der Roswell-Zwischenfall“, Wien (Zsolnay) 1980. 4 Georges Charpak und Henri Broch, „Was macht der Fakir auf dem Nagelbrett? Erklärungen für unerklärliche Phänomene“, München (Piper) 2003. 5 Stillman Drake, „Galilei, Freiburg (Herder) 1999.

Aus dem Französischen von Uta Rüenauver

Pierre Lagrange ist Soziologe am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) und Autor von unter anderem „Ovnis: Ce qu’ils ne veulent pas que vous sachiez“, Paris (Presses du Châtelet) 2007.

Le Monde diplomatique vom 07.08.2009, von Pierre Lagrange