12.11.2020

Ungleiche Partner

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Ungleiche Partner

Mitten in der Coronakrise hat die Afrikanische Entwicklungsbank beschlossen, Public-private-Partnerships verstärkt zu fördern. Dabei ist der Nutzen dieser Kooperationen für die Staaten äußerst fragwürdig.

von Jean-Christophe Servant

Kapstadt im Mai 2020: Maskenproduktion als Kooperationsprojekt realtime images/picture alliance/abaca
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Während in den westlichen Industrieländern öffentlich-private Partnerschaften (Public-private-Partnerships, PPP) zunehmend in die Kritik geraten, sind sie in Afrika auf dem Vormarsch. 2018 zählte die Weltbank 460 PPPs auf dem Kontinent. Nach den Vorreitern Südafrika, Nigeria und Kenia werden vor allem in Ghana, Côte d’Ivoire und Senegal immer mehr von diesen angeblich so effizienten Kooperationen abgeschlossen. Tatsächlich sind sie aber für wachsende Haushaltsdefizite verantwortlich, während sie den privaten Unternehmen exorbitante Vorteile verschaffen. Die durch die Coronapandemie 2020 ausgelöste Rezession könnte das ganze Ausmaß dieser schädlichen Kooperationen offenlegen.

Theoretisch dienen PPPs dazu, dem Staat mehr finanziellen Spielraum zu verschaffen. Die Ressourcen, Risiken, Verantwortlichkeiten und Vorteile sollen zwischen der öffentlichen Hand und den Unternehmen aufgeteilt werden. In der Regel handelt es sich um Verträge über den Bau, die Instandhaltung und den Betrieb öffentlicher Einrichtungen (Straßen, Krankenhäuser, Flughäfen, Kraftwerke, Eisenbahnen und dergleichen) mit einer Laufzeit von 20 bis 30 Jahren. Der Staat als Nutzer der Einrichtungen zahlt ab dem Zeitpunkt der Abnahme für die gesamte Konzessionsdauer einen Mietzins. Nach deren Ablauf geht das Objekt in den Besitz des Staats.

Die internationalen Finanzinstitu­tio­nen als die wichtigsten Förderer, aber auch regionale Organisationen haben die PPPs zu einem Motor des afrikanischen Wirtschaftswachstums erklärt. „In den letzten 15 Jahren wurden Entwicklungshilfegelder eingesetzt, um den Privatsektor zu Investitionen in den ärmsten Ländern zu ermuntern“, sagt Nick Dearden, Leiter des Netzwerks Global Justice Now. „Anstatt die Länder direkt beim Auf- und Ausbau öffentlicher Dienstleistungen zu unterstützen oder Steuern von den dort bereits tätigen multinationalen Unternehmen einzutreiben, will man mit staatlichen Mitteln ein ‚günstigeres‘ Umfeld für private Investitionen schaffen.“ Öffentlich-private Partnerschaften hätten anschließend stark zugenommen. „Und sie haben das getan, was sie am besten können: öffentliche Aufgaben in langfristige Einnahmequellen für ihre Geldgeber verwandeln.“1

Insbesondere die Weltbank und ihre Tochterorganisation für die Entwicklung des Privatsektors in den Ländern des Südens, die Internationale Finanz-Corporation (IFC), engagieren sich mit Unterstützung diverser UN- und EU-Organisationen für PPPs zwischen afrikanischen Regierungen und privaten Investoren. Die Bilanz dieser Verträge in Europa, wo sie Anfang der 1990er Jahre erfunden wurden, hätten allerdings als Warnung dienen können. So fällte 2018 ein Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs zu zwölf untersuchten PPPs ein strenges Urteil: „Bei der Mehrzahl der geprüften Projekte kam es zu erheblichen Bauverzögerungen und Kostenüberschreitungen.“2

Senegal zahlte das Dreifache für seine Autobahn

Allen Warnungen zum Trotz gedeihen PPPs in Afrika weiter. Entwicklungsziele, Anpassung an den Klimawandel und die vierte industrielle Revolution dienten als Rechtfertigung für die neue Privatisierungswelle gegen die Interessen der Allgemeinheit, meint der südafrikanische Sozialist Trevor Ngwane, der in den nuller Jahren das Anti Privatisation Forum mitgegründet hat, eine Koalition von Verbänden unter dem Vorsitz von Thabo Mbeki, die gegen die Demontage des öffentlichen Wasser- und Stromsektors kämpfte.

Im Frühjahr 2017 dachte Weltbankchef Jim Yong Kim laut darüber nach, dass doch nur Gutes dabei herauskommen könne, wenn beispielsweise ein britischer Pensionsfonds in den Straßenbau in Dar es Salaam investiert, um eine angemessene Rendite zu erzielen.3 Der UN-Sonderberichterstatter für ex­tre­me Armut und Menschenrechte Philip Alston warnte ein halbes Jahr später jedoch vor dem Privatisierungs-Tsunami, den die PPPs auslösen.4

PPPs werden gern als Partnerschaft zwischen gleichberechtigten Akteuren dargestellt. Doch in Wirklichkeit sind sie das Ergebnis asymmetrischer Verhältnisse. Schulden schwächen die Verhandlungsposition der afrikanischen Staaten, deren Vertreter zudem oft nicht über das juristische und technische Know-how verfügen, um mit den Anwälten der Multis mithalten zu können. Und weil die Privaten den PPP-Vertrag vorbereiten, seien sie immer schon einen Schritt voraus, erklärt der senegalesische Anwalt Aliou Saware.

Während sich die Staaten über Jahrzehnte hinweg verschulden, können sich die Unternehmen über die in den Verträgen eingebauten Schlupflöcher gegebenenfalls ihren Verpflichtungen entziehen. Neuverhandlungen oder Änderungen sind in den Verträgen meist nicht vorgesehen. Oft werden sie übereilt abgeschlossen, um kurzfristige Wahlversprechen zu erfüllen. Auf die staatlichen Stellen können dabei alle möglichen finanziellen Belastungen zukommen, beispielsweise Entschädigungszahlungen im Fall von sinkenden Wechselkursen oder starken Gewinnrückgängen.

Das Offshore-Gasprojekt Sankofa etwa, ein von der Weltbank unterstütztes PPP in Ghana, wurde für die Regierung zu einer Zeitbombe. In einer so genannten Take-or-pay-Klausel hat sich der Staat verpflichtet, 90 Prozent der Fördermenge aufzukaufen. Die inländische Nachfrage erwies sich jedoch als zu gering. Allein 2019 zahlte Ghana infolgedessen 250 Millionen Dollar für Gas, das es gar nicht verbrauchen konnte.

Ein anderer typischer Fall ist die senegalesische „Autobahn der Zukunft“ zwischen dem internationalen Flughafen Blaise-Diagne und der Hauptstadt Dakar. 2016 wurde die erste Mautstraße in Westafrika mit großem Pomp eingeweiht. In dieser von der IFC unterstützten PPP ist Senac SA, die lokale Tochter des französischen Baukonzerns Eif­fage, für Planung, Bau und Betrieb der Autobahn zuständig. „Senac investierte 70 Milliarden CFA-Francs (106 Mil­lio­nen Euro), während der senegalesische Staat dreimal so viel in das Projekt gesteckt hat“, rechnet der Anwalt Saware vor. „Bis zum Ende der 30-jährigen Laufzeit wird Senac fast 300 Milliarden CFA-Francs (457 Millionen Euro) verdient haben. Der Staat hingegen kassiert nur die Mehrwertsteuer, muss aber bis 2059 die Kredite der Entwicklungsorganisationen zurückzahlen – mehr als 200 Milliarden CFA-Francs (304 Millionen Euro).“

Alle Sektoren, die hohe Gewinnquoten versprechen, sind betroffen: Energie, Mobilfunk, Breitbandkabel, Straßen, Häfen, Eisenbahnen oder Flughäfen. Sogar im Sozialwesen empfiehlt die IFC den Einsatz von PPPs, etwa beim Bau oder der Sanierung von Krankenhäusern oder der Herstellung und dem Vertrieb von Medikamenten. „Entgegen der landläufigen Meinung stellt der Gesundheitssektor für Investoren kein Risiko dar“, sagt Anna Marriott von Oxfam. Die urbane obere Mittelschicht sei in Ländern wie Kenia, Nigeria oder Südafrika bereit, für eine ordentliche Gesundheitsversorgung zu zahlen.

Erste Studien zeigen aber, dass ­PPPs im Gesundheitswesen für die Staaten genauso gefährlich sind wie in den herkömmlichen Branchen. So wurde in Uganda ein PPP für Bau und Verwaltung des Krankenhauses von Lubowa am Stadtrand von Kampala vereinbart, das ohne Ausschreibung an ein italienisch-ugandisches Konsortium ging. Durch die Bauarbeiten entstanden dem Staat erhebliche Mehrkosten, die das veranschlagte Budget von 250 Millionen Dollar um 130 Millionen überschritten.5

Und in Lesotho sollte das 2011 neugebaute Queen Mamohato Memorial Hospital der IFC zufolge nur ein Drittel der Kosten der Vorgängereinrichtung verursachen. Drei Jahre nach der Eröffnung verschlang die Klinik aufgrund einer Kostenexplosion bei Schuldendienst und Betrieb 51 Prozent des nationalen Gesundheitsbudgets. Für den privaten Investor Tsepong Ltd., ein Konsortium, das von dem südafrikanischen Gesundheitskonzern Netcare angeführt wird, war das Haus mit seinen 425 Betten aber überaus gewinnbringend. Allerdings geht all dies zulasten der Ressourcen für die Landbevölkerung. Heute verbraucht das Queen Mamohato Memorial Hospital immer noch ein Drittel des Gesundheitsbudgets, das seit 2014 immerhin verdreifacht wurde.

Netcare, dessen Investitionen nur 4 Prozent der Gesamtkosten des Projekts ausmachen, wurde von den anderen Mitgliedern des Konsortiums beschuldigt, die vom Krankenhaus erwirtschafteten Einnahmen zu beträchtlichen Teilen abgezweigt zu haben. In einem Tauziehen zwischen dem Staat Lesotho und den Geldgebern droht der südafrikanische Betreiber, dass das Königreich in eine Schuldenkrise geraten würde, sollte das Krankenhaus in Konkurs gehen. In Afrika besteht die reelle Gefahr, dass PPPs in einer Zeit, in der ohnehin eine neue Schuldenkrise droht, die Staatshaushalte zusätzlich belasten werden.6

„Natürlich kann man die Art und Weise, wie die Länder ihre Geschäfte machen, kritisieren“, sagt der Ökonom Romain Gelin. Aber es seien in erster Linie externe Ursachen, die die afrikanischen Staaten zwängen, sich weiter dem Diktat der Bretton-Woods-Institutionen zu beugen. Dazu gehören insbesondere illegale Finanzströme und Steueroasen: Während 2018 knapp 30 Milliarden Dollar an staatlicher Entwicklungshilfe nach Afrika flossen, gingen dem Kontinent gleichzeitig mehr als 50 Milliarden Dollar durch illegale Finanzströme verloren.7

Wie schon zu Beginn der nuller Jahre leben auch jetzt wieder Initiativen auf, die von den internationalen Finanzinstitutionen fordern, die Schulden zu streichen oder wenigstens zu senken. Doch vier Jahrzehnte nach der ersten Schuldenkrise gibt es heute kaum noch Streiks und Demonstrationen, mit denen damals gegen die Strukturanpassungspläne protestiert wurde.

Mit Blick auf die PPPs fordert der Anwalt Saware, „alles zu stoppen und erst einmal eine weltweite Untersuchung darüber anzustellen, ob diese Partnerschaften nicht nur profitabel sind, sondern auch zur nachhaltigen Entwicklung und zum Wohl künftiger Generationen beitragen“.

1 „The Free Market Will Only Deepen the Coronavirus Crisis“, Al Jazeera, 8 April 2020, www.aljazeera.com.

2 „Öffentlich-private Partnerschaften in der EU: Weitverbreitete Defizite und begrenzte Vorteile“, Sonderbericht Nr. 9, Europäischer Rechnungshof, Luxemburg 2018.

3 Rede vom 11. April 2017, www.worldbank.org.

4 „UN Poverty Expert Warns Against Tsunami of Unchecked Privatisation“, Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, 19. Oktober 2018, www.ohchr.org.

5 Fears Raised About Cost of PPP Hospital in Uganda“, Jubilee Debt Campaign, 8. Juli 2019, jubileedebt.org.uk.

6 Siehe Ndongo Samba Sylla, „Am Beispiel Senegal“, LMd, Juli 2020.

7 Vgl. Romain Gelin, „Qui finance les infrastructures en Afrique“, Komitee zur Streichung der illegitimen Schulden (CADTM), Brüssel, 9. November 2018, www.cadtm.org.

Aus dem Französischen von Nicola Liebert

Jean-Christophe Servant ist Journalist.

Le Monde diplomatique vom 12.11.2020, von Jean-Christophe Servant