11.12.2009

Mit Wasserkraft und Kohle

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Mit Wasserkraft und Kohle

Mosambik entdeckt seine natürlichen Ressourcen von Augusta Conchiglia

Im Herzen Mosambiks, in der Provinz Sofala, weihte Präsident Armando Guebuza am 1. August 2009 mit großem Pomp eine Brücke über den Sambesi ein, den viertlängsten Fluss Afrikas. Diese Zeremonie war von symbolischer Bedeutung, denn Zambezia am gegenüberliegenden Ufer ist eine der Provinzen, die am meisten unter dem Bürgerkrieg (1977 bis 1992) gelitten haben: Damals kämpfte in Mosambik die marxistisch orientierte Befreiungsfront Frelimo gegen die Nationale Widerstandsbewegung Renamo, die vom südafrikanischen Apartheidregime unterstützt wurde. Jahrzehntelang hatten die Provinzregierungen von Zambezia und anderen Nordprovinzen den Bau einer Brücke gefordert, damit es endlich eine Verbindung zum reicheren Süden gäbe, zum Zentrum der politischen Macht.

Präsident Armando Guebuza ist am Ziel seiner Wünsche angelangt: Bei den Wahlen vom 28. Oktober stimmte in Zambezia ebenso wie in den anderen einst aufständischen Regionen Sofala und Nampula zum ersten Mal eine Mehrheit für die Regierungspartei Frelimo – die sich inzwischen zur freien Marktwirtschaft bekennt – und bestätigte damit Guebuza im Amt.1 Dazu hat sicher auch die „Brücke der Einheit“ beigetragen.

Mosambik ist ein ziemlich gutes Beispiel für einen gelungenen Aufbauprozess nach einem bewaffneten Konflikt. Die Afrikanische Entwicklungsbank (ADB) und die OECD heben in ihrem Wirtschaftsausblick für Afrika 2009 die „makroökonomische und politische Stabilität des Landes“2 hervor und verweisen auf die „beeindruckende Wachstumsrate von durchschnittlich 8 Prozent zwischen 2000 und 2006“. 22 Prozent der Staatsausgaben werden in die Bildung investiert. Und trotzdem ist Mosambik mit einem Durchschnittseinkommen von 230 Euro pro Kopf nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt, und die Ungleichheiten zwischen den Provinzen nehmen zu, von denen einige häufig auch noch von Naturkatastrophen (Überschwemmungen und Trockenperioden) heimgesucht werden. Das Land gehört zu den größten Entwicklungshilfeempfängern im südlichen Afrika.3

Seit der letzten Phase der portugiesischen Kolonialherrschaft (1895 bis 1975) war Mosambik als nächstliegender Absatzmarkt eng an die aufstrebenden Wirtschaftsmächte des alten Rhodesien (heute Simbabwe und Sambia) und Südafrika gekoppelt. Die Schienen- und Straßenkorridore zur Hauptstadt Maputo und zum zentral gelegenen Hafen von Beira, später auch die Nacala-Bahn im Norden, die dem Binnenstaat Malawi einen Zugang zum Meer verschaffte, gehörten lange Zeit zu den wichtigsten Einnahmequellen von Mosambik (neben den Rücküberweisungen von Migranten, die in südafrikanischen Bergwerken arbeiteten). Diese Einkünfte gingen während des Bürgerkriegs zurück, als das feindlich gesonnene Südafrika seine Investitionen reduzierte und die Anbindung seiner Bergbaugebiete an seinen eigenen Hafen in Durban förderte.

Seit dem Ende des Bürgerkriegs strebt Mosambik die wirtschaftliche Diversifizierung an. An potenziellen Gütern herrscht kein Mangel: Es gibt Energievorkommen (Gas, Wasserkraft und möglicherweise Öl in Offshore-Lagerstätten), Bergwerke (Kohle, Titan, Gold, Edelsteine), eine wachsende Tourismusbranche und natürlich Landwirtschaft und Fischfang, mit denen immer noch 27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwirtschaftet werden.

In den 2000er-Jahren entstanden mit Investitionen von Milliarden Dollar eine Reihe von Megaprojekten in der Rohstoffindustrie, die die spezifischen Probleme der mosambikanischen Wirtschaft sichtbar werden lassen. So hat der südafrikanische Sasol-Konzern in der Provinz Inhambane die Gasförderung aufgebaut – 95 Prozent des Erdgases gehen per Pipeline direkt nach Südafrika – und die Aluminiumhütte Mozal, die ihre Kapazitäten zwischen 2000 und 2002 verdoppeln konnte, wurde von einem Konsortium unter Führung des angloaustralischen Riesen BHP Billiton4 errichtet.

Die meisten Großprojekte befinden sich – auf Anregung von IWF und Weltbank – in von Steuern befreiten Zonen und bringen dem Staat kaum etwas ein. Daher ist es nicht verwunderlich, dass trotz einer exponentiellen Steigerung der Exporte das Zahlungsbilanzdefizit von Mosambik im Jahr 2008 immer noch 800 Millionen Dollar betrug. Nach einem Bericht des mosambikanischen Instituts für Sozial- und Wirtschaftsstudien (IESE)5 entsprechen die entgangenen Einnahmen fast dem staatlichen Haushaltsdefizit, das im Augenblick von den Geberländern ausgeglichen wird.

Der Wirtschaftsexperte Carlos Nuno Castel-Branco vom IESE meint, die Entscheidung, die Aluminiumhütte Mozal in Mosambik zu errichten, sei jedoch weniger auf die Steuererleichterungen zurückzuführen, sondern vielmehr darauf, dass die wirtschaftlich expandierende Regionalmacht Südafrika gleich doppelt an diesem Projekt beteiligt ist: als Aktionärin im Konsortium und als Stromlieferantin. Der Einstieg des Investors BHP Billiton war nämlich an die Unterzeichnung eines Vertrags zwischen den Energiekonzernen von Mosambik (EDM), Swasiland (SEB) und Südafrika (Eskom) gebunden, die zur Versorgung der Hütte die unabhängige Netzgesellschaft Motraco gegründet hatten. „Eskom hatte seinen Langzeitvertrag mit Mozal an die Bedingung geknüpft, dass die Hütte in Mosambik errichtet wird – um sein regionales Stromnetz auszubauen“, erklärt Castel-Branco.

Südafrika leidet unter notorischem Energiemangel. Immer wieder kommt es zu Engpässen bei der Stromversorgung; die Nutzung von Wasserkraft aus dem Nachbarland Mosambik6 ist daher wichtiger denn je. Die staatliche Eskom liefert 95 Prozent des Stroms für Südafrika, das 2010 die Fußballweltmeisterschaft ausrichten wird, und sie ist der Hauptabnehmer des Wasserkraftwerks an der Cahora-Bassa-Talsperre in Mosambik (Hidroelectrica de Cahora Bassa, HCB).

Die HCB wurde 1974 von einem portugiesischen Konsortium in der nordwestlichen Provinz Tete erbaut, um vor allem Südafrika zu versorgen, denn Mosambik besaß damals keine nennenswerte Industrie, für die sich eine solche Investition gelohnt hätte. Die Hochspannungsleitung der HCB in Richtung Südafrika verläuft immer noch fast vollständig durch Simbabwe, also außerhalb des mosambikanischen Staatsgebiets.

So kommt es, dass Maputo den im eigenen Land produzierten Strom, den es vor allem für den stark entwickelten Süden braucht, zu hart verhandelten Preisen von der Eskom zurückkaufen muss. Solange es in Mosambik selbst keine Hochspannungsleitung von Nord nach Süd gibt – die Baukosten werden auf 2,3 Milliarden Dollar geschätzt – wird das auch so bleiben. Die HCB produziert 2 000 Megawatt Strom, davon gehen jedoch nur 400 nach Mosambik, 200 nach Simbabwe (das immer weniger dafür bezahlt) und die restlichen 1 400 bekommt Südafrika. Der Vertrag läuft erst im Jahr 2029 aus.

Die Regierung von Mosambik strebt die Unabhängigkeit auf dem Energiesektor an und will schon seit Jahren die HCB übernehmen, die als letztes größeres portugiesisches Investitionsprojekt nach der Unabhängigkeit 1976 nicht verstaatlicht worden war. Bis zum 31. Oktober 2006 gehörte sie immer noch zu 82 Prozent Portugal. Das Kraftwerk stand nach Sabotageakten der Renamo lange still, und so hatten sich über die Jahre fast 2 Milliarden Euro Schulden angesammelt. Im Verlauf des Verhandlungsmarathons, der sich über zehn Jahre hinzog, weigerte sich etwa das ebenfalls beteiligte Südafrika, anzuerkennen, dass es mitverantwortlich für die Misere war, weil es damals die Renamo unterstützt hatte. Schließlich setzte man die Schulden für den Staat auf 700 Millionen Dollar (470 Millionen Euro) fest. Das Energieministerium versprach, sie innerhalb von zwölf Jahren aus dem HCB-Haushalt an ein Bankenkonsortium unter Leitung der französischen Calyon, das den Betrag vorstreckte, zurückzuzahlen.

Unabhängig von Südafrika mit eigener Energie

Am 31. Oktober 2006 unterzeichneten Präsident Antonio Guebuza und Portugals Ministerpräsident José Socrates den Vertrag, durch den Mosambik mit 85 Prozent Hauptanteilseigner des Kraftwerks wurde. Es war ein Ereignis, das die Bevölkerung wie die Rückgewinnung eines Kronjuwels feierte: „Für uns war das wie eine zweite Unabhängigkeit“, erzählt Pascoal Bacela, der das Energieministerium leitet. Sieben neue Projekte sind jetzt bereits geplant. Das Land soll einmal mehr als 6 000 Megawatt Strom erzeugen und ein regional bedeutender Stromexporteur werden.

35 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in Mosambik stammen aus Südafrika. 250 südafrikanische Unternehmen haben hier Niederlassungen. Der Export von Südafrika nach Mosambik übersteigt den Export in die Gegenrichtung um das Zwanzigfache.

Südafrika gilt als ein mit Brasilien vergleichbares Schwellenland und verdankt seine heutige Wirtschaftskraft zu einem guten Teil der Vorherrschaft, die es mit Billigung der portugiesischen und britischen Kolonisatoren lange Zeit über den Süden Afrikas ausgeübt hatte. Mit dem Ende der Apartheid nahm Südafrikas Bedeutung als regionaler Entwicklungsmotor noch einmal gewaltig zu. Doch inzwischen interessieren sich auch andere Global Player für Mosambiks Bodenschätze. Pretoria hat Konkurrenz bekommen. Seit 2005 haben Brasilien und Australien Südafrika bei den Direktinvestitionen sogar überflügelt. Im Zentrum dieses Booms steht die Kohle – und, nicht ganz so bedeutsam, Titan.

Auf einmal ziehen also auch Mosambiks Kohlevorkommen, die lange Zeit unterschätzt wurden, die Bergbaugiganten an: Der brasilianische Konzern Vale (früher Companhia Vale do Rio Doce, das zweitgrößte Bergbauunternehmen der Welt) gewann die erste Ausschreibung für Moatize7 , wo man nach der Unabhängigkeit bereits ein paar Tonnen Erz gefördert hatte (schon die DDR hatte in Moatize eine Kolonie und eine Bergbauakademie aufgebaut). Und Riverdale aus Australien erhielt im Verbund mit Tata Steel aus Indien eine zweite Konzession für ein angrenzendes Gebiet. Die ersten Untersuchungen enthüllten eines der größten Steinkohlevorkommen der Welt. Die beiden Konzerne wollen dort in einigen Jahren jeweils 20 bis 25 Millionen Tonnen fördern. Auch andere Stahlriesen wie ArcelorMittal stehen für weitere Konzessionen in den Startlöchern.

Bislang ist jedoch das Transportproblem noch nicht gelöst, denn die Infrastruktur ist schlecht entwickelt. Die 650 Kilometer lange Strecke der Sena-Bahn von Moatize nach Beira und die Beira-Bahn, die durch Simbabwe und Sambia zum angolanischen Atlantikhafen Lobito führt, wurden Anfang des letzten Jahrhunderts gebaut. Die Sena-Linie verfügt noch nicht über die nötigen Kapazitäten, obwohl sie seit 2002 saniert wird – übrigens zunächst gegen das Votum der Weltbank, die das Ganze erst als unrentabel eingeschätzt hatte, drei Jahre später aber doch in die Finanzierung einstieg. Mit einem solchen Kohleboom hatte man nicht gerechnet.

Die Arbeiten sollen 2010 abgeschlossen sein, ausgeführt vom Konsortium Rites & Ircon, einem Tochterunternehmen der indischen Staatsbahn (Indian Railways), das sich auch um den künftigen Betrieb kümmern wird. Es ist der erste Auftritt von Indian Railways auf dem afrikanischen Kontinent. Und der australische Konzern Riversdale plant, einen Teil der Kohle über den Sambesi zu transportieren.

Vale und Riversdale wollen auf ihrem Gelände jeweils ein Kraftwerk (1 800 Megawatt) bauen, um die Bergwerke zu versorgen und Strom in das Landesnetz einzuspeisen. Beide Unternehmen betonen ihre beispielhafte Zusammenarbeit mit Mosambik und übertreffen sich gegenseitig mit Versprechungen von ultramodernen, sauberen Produktionsverfahren – die mosambikanische Umweltbehörde soll alle Projekte überwachen.

Mosambik hat aufgrund seiner Abhängigkeiten von dem unverzichtbaren, aber nicht immer angenehmen Partner Südafrika und von internationaler Entwicklungshilfe nur wenig Spielraum – doch das wird vielleicht nicht mehr lange so bleiben.

Fußnoten: 1 Armando Guebuza erhielt bei der Präsidentschaftswahl 75 Prozent aller Stimmen. Seine Partei Frelimo erhielt 191 der insgesamt 250 Parlamentssitze, während sie zuvor nur 160 innehatte. Die Wahlbeteiligung lag bei 50 Prozent. 2 African Economic Outlook 2009, siehe www.oecdbookshop.org/oecd/display.asp?CID=&LANG=EN &SF1=DI&ST1=5KSM0HB5FKLW, deutsche Zusammenfassung: www.oecdbookshop.org/oecd/display.asp?CID=&LANG=EN&SF1=DI&ST1=5KSJ9JXV8PR1. 3 Im Jahr 2008 betrug die Gesamtunterstützung netto 873 Millionen Euro, ein Drittel soll das Haushaltsdefizit ausgleichen. 4 Gemeinsam mit Mitsubishi (Japan), der Industrial Development Corporation of South Africa und dem mosambikanischen Staat, der einen Kapitalanteil von 3,9 Prozent hält. 5 Siehe www.iese.ac.mz. 6 Eskoms Langzeitverträge mit Mozal und anderen multinationalen Konzernen, die Preise weit unter Marktniveau festschreiben, sind zum Teil für die schwerwiegende Finanzkrise des südafrikanischen Energiekonzerns verantwortlich, dessen Direktor gerade zurücktreten musste. 7 Chinesische Bergbauunternehmen wurden unter dem Vorwand, ihre Buchführung entspreche nicht den Regeln der Weltbank, vom Bieterverfahren ausgeschlossen.

Aus dem Französischen von Sabine Jainski

Augusta Conchiglia ist Journalistin.

Le Monde diplomatique vom 11.12.2009, von Augusta Conchiglia