12.02.2010

Die Revolutionsgarde im Iran

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Die Revolutionsgarde im Iran

Organ der Unterdrückung und Wirtschaftsmacht von Behrouz Aref und Behrouz Farahany

Nach Gründung der Islamischen Republik Iran im Jahr 1979 herrschten in der ehemaligen Armee des Schahs chaotische Zustände, die Angst vor einem Staatsstreich wuchs. Deshalb schuf Ajatolla Chomeini im April 1979 eine weitere Militäreinheit, die „Armee der Enterbten“. Ihren offiziellen Status als „Armee der Pasdaran“ (AP) erhielt sie durch Artikel 150 der Verfassung. Aufgabe der „Iranischen Revolutionsgarde“ ist demnach, „die islamische Revolution, die Sicherheit und die öffentliche Ordnung zu bewahren“.

1980/1981 verschärfte sich die interne Krise des Regimes: Der erste Präsident Bani-Sadr wurde abgesetzt, und die Volksmudschaheddin1 wagten einen bewaffneten Aufstand. Der wurde von der AP niedergeschlagen, die anschließend alle Gegner Chomeinis brutal unterdrückte. Als der Irak im September 1980 dem Iran den Krieg erklärte, war die AP die einzige organisierte Kraft, die das Regime nach innen und an der irakischen Front verteidigen konnte. Die AP wirkte bei der Ausarbeitung der Kriegspläne mit wie auch bei der Kontrolle und Rationierung der Lebensmittelimporte. Sie sorgte für die Sicherheit der Staatsfunktionäre und schickte Vertreter in die Revolutionskomitees, die sich unmittelbar auf den Imam beriefen.

Mit der Zerschlagung der radikalen Opposition und den ersten Siegen gegen den Irak ging die „revolutionäre“ Periode im Iran zu Ende: In einer Achtpunkte-Erklärung vom 6. Dezember 1982 erkannte Chomeini die Legitimität des Eigentums und der Privatwirtschaft an. Die Pasdaran forderte er auf, sich künftig auf ihre militärische Rolle im Krieg zu konzentrieren.

Nach dem Tod des Gründers der Islamischen Republik unterstützte die AP 1989 die Wahl von Ajatollah Ali Chamenei zum geistlichen Oberhaupt2 und von Ali Akbar Rafsandschani zum Präsidenten. In den 1990er-Jahren verlor die Organisation an politischem Einfluss, baute aber ihre wirtschaftliche Macht aus. Artikel 147 der Verfassung bestimmt: „In Friedenszeiten muss die Regierung das Personal und die technischen Mittel der Armee in Übereinstimmung mit den Maßnahmen der islamischen Justiz für Versorgung, Bildung, Produktion und den Dschihad einsetzen, ohne dass dadurch deren Kampfkraft beeinträchtigt wird.“

1990 wurde die Organisation Khatam al-Anbia (Das Siegel der Propheten) gegründet, die sich nach und nach zur führenden Wirtschaftsmacht in der Islamischen Republik entwickelt hat.3 Die auch als Ghorb bekannte Unternehmensgruppe koordiniert die Aktivitäten der zahlreichen Firmen, die den Pasdaran unterstehen.

Die wachsende Macht der Rafsandschani-Vertrauten, die riesige Vermögen anhäuften, alarmierte Chamenei und die konservativen Kreise. Als Rafsandschanis „Reformern“ im März 1996 beim ersten Wahlgang zur 5. Versammlung des Islamischen Rates – und damit zum Iranischen Parlament – der Durchbruch gelang, rief Chamenei, der weder das Charisma noch die politische Aura oder die religiöse Autorität eines Chomeini besaß, die Pasdaran zu Hilfe. In einer denkwürdigen Rede erklärte der Kommandeur der AP, General Jahia Rahim Safavi, am 6. April 1996: „Wir müssen uns beim zweiten Wahlgang einmischen und mit unserer Stimme verhindern, dass auch nur ein einziger Liberaler, der dem Volk und dem Land schaden könnte, in den Rat kommt.“4

Die Pasdaran kontrollieren Kaianlagen und Flughäfen

Aufgrund dieser Einmischung kippte das Kräfteverhältnis innerhalb des Regimes, die „Reformer“ wurden zurückgedrängt. Der überraschende Sieg von Mohammed Chatami, der sich bei der Präsidentschaftswahl 1997 gegen den Kandidaten der Konservativen Nateq-Nuri durchsetzte, zeigte jedoch, wie instabil das Gleichgewicht war. Während der beiden Amtszeiten Chatamis (1997–2005) widersetzte sich die AP dem Reformkurs des Präsidenten und kontrollierte dank ihrer Verfügung über die Infrastruktur ein Drittel der iranischen Importe: Ihr unterstehen etwa sechzig Kaianlagen am Persischen Golf, ein Dutzend Flughäfen, darunter der Payam Airport bei Teheran, der offiziell zum Ministerium für Post und Telekommunikation gehört, und 25 Zollkontrollstellen auf dem Internationalen Flughafen von Mehrabad.5

Da mehrere Minister und Staatssekretäre zum Kommando der Pasdaran gehören, erhielt deren Unternehmensgruppe Khatam al-Anbia während der Amtszeit Mahmud Ahmadinedschads als Bürgermeister von Teheran (2003–2005) den Zuschlag für gigantische öffentliche Infrastrukturprojekte, etwa die Aufträge für Autobahnstrecken und U-Bahnen in einem Umfang von 2,2 Milliarden Dollar. 2005 gewann die AP weiter an Macht, als die zerstrittenen Chatami-Anhänger eine Niederlage erlitten und Ahmadinedschad die Präsidentschaftswahl gegen Rafsandschani gewann, der als korrupter Geschäftemacher verschrien war.

Im Blog von Mussawi, dem glücklosen Kandidaten bei der letzten Präsidentenwahl, kann man lesen, dass Ghorb gegenwärtig mehr als achthundert Firmen kontrolliert, die in verschiedensten Bereichen aktiv sind: in der Waffenproduktion (Raketen), bei Bau- und Entwicklungsprojekten (Straßenbau, Staudämme, Minen, Bewässerungsanlagen usw.), im Energiesektor (im Juni 2009 erhielt Ghorb den Zuschlag für den Bau einer 600 Kilometer langen Ölpipeline nach Indien; Auftragsvolumen: 2,2 Milliarden Dollar), Kommunikation (im Sommer 2009 übernahm das AP-nahe Konsortium Tossee Etemad Mobin ohne Ausschreibung mit mehr als 50 Prozent der Anteile die staatliche Telekommunikationsfirma Sherkat Mochaberat Iran, wofür es 8 Milliarden Dollar bezahlte), Finanzen (die Umwandlung der beiden „Wohltätigkeitskreditanstalten“ der Pasdaran und der Bassidsch-Milizen in Banken befindet sich in vollem Gange).

Das letzte Projekt, das die Pasdaran im November 2009 vorstellten, war der Bau der Eisenbahn von Chah-Bahar im Südosten für 2,5 Milliarden Dollar. „Wir sind zu Friedenszeiten keine unnütze Kriegsmaschine“, stellt General Dschafari klar.6 Immerhin musste er sich in der Presse und im Parlament schon gegen den Vorwurf mafiöser Geschäftsmethoden wehren: „Die Militärmafia, die es in vielen Ländern gibt, vor allem in einigen unserer Nachbarländer, lässt sich in keiner Weise mit den Pasdaran vergleichen.“

Seit den Protestdemonstrationen gegen die gefälschte Wahl im Juni 2009 spielen die Revolutionsgarden eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung der Opposition und der Unterstützung für Chamenei.7 Ihre 125 000 Mitglieder sind in Armeecorps aufgeteilt und kontrollieren auch die Bassidsch-Milizen.

Im Oktober 2009 erklärte General Abdullah Araghi, der Kommandant des Pasdaran-Corps Rasul-ol-lah, seine Organisation sei in den zwei Monaten nach der Wahl für die Sicherheit verantwortlich gewesen.8 Wenige Wochen später forderte Jadollah Dschavani, der Direktor des Politischen Büros der Pasdaran, die Anführer der Reformer-Opposition, darunter Karubi und Mussawi, festzunehmen und zu verurteilen.9

Am 29. Dezember 2009 riefen die Pasdaran die iranische Bevölkerung dazu auf, für die Unterstützung des Revolutionsführers auf die Straße zu gehen. Zugleich warfen sie dessen Gegnern vor, sie seien Agenten des Auslands.10 Auf ihrer Internetseite (gerdab.ir) veröffentlichen sie Demonstrationsfotos, daneben steht ein Aufruf an das „muslimische Volk“, die Teilnehmer anzuzeigen.

Kritik an dem wachsenden und nur noch schwer zu durchschauenden Einfluss, den die Pasdaran auf Wirtschaft und Politik haben, kommt inzwischen auch von Seiten, die der Islamischen Republik ansonsten wohlgesonnen sind. Auch innerhalb der Pasdaran selbst gibt es Abspaltungen, da viele Mitglieder aus einfachen Verhältnissen kommen und weder die wachsende Tendenz zum Geschäftemachen noch die Gewaltmaßnahmen gutheißen.

Fußnoten: 1 Die 1965 gegründete Organisation der Volksmudschaheddin engagierte sich im Kampf gegen den Schah. Sie war an seinem Sturz 1979 beteiligt, schloss sich aber 1981 der bewaffneten Opposition gegen Ajatollah Chomeini an. Vor der brutalen Unterdrückung flohen viele Funktionäre ins Ausland. 1986 errichtete sie eine Militärbasis im Irak (während des Iran-Irak-Kriegs) und verbündete sich mit dem Regime von Saddam Hussein. 2 Das geistliche Oberhaupt bzw. der Oberste Rechtsgelehrte wird vom Expertenrat (86 Mullahs) gewählt und ist das höchste politische und religiöse Organ der Islamischen Republik Iran. 3 Siehe Ramine Motamed Nejad, „Reichtum und Armut der islamischen Republik“, Le Monde diplomatique, Juli 2009. 4 Kayhan, Téhéran, 17. April 1996. 5 Nach Aussage von Mohamad Ali Mochafeq, einem Berater des früheren Parlamentspräsidenten Karubi, siehe: www.aei.org/outlook/27433. 6 www.sepahnews.com. 7 Siehe Ahmed Salamatian, „Iranische Intrigen“, Le Monde diplomatique, Juli 2009. 8 BBC auf Persisch, 4. Oktober 2009. 9 Sobh Sadegh, Teheran, 21. November 2009. 10 www.khabaronline.ir/news-33058.aspx.

Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

Behrouz Aref ist Übersetzer, Behrouz Farahany Herausgeber mehrere iranischer Internetzeitungen.

Le Monde diplomatique vom 12.02.2010, von Behrouz Aref und Behrouz Farahany