17.04.1998

Wenn partnerschaftliche Hilfe zur Abwehrstrategie wird

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Wenn partnerschaftliche Hilfe zur Abwehrstrategie wird

Die Entwicklungspolitik, die die westlichen Regierungen so gerne als Lösung für die Immigrationsproblematik hinstellen, gerät zunehmend unter Druck. Die Ausländerfeindlichkeit steigt, die Budgets werden immer mehr gekürzt. Ihre ursprüngliche Aufgabe, wenigstens die krassesten Ungleichheiten in der Welt zu verringern, hat sich längst gewandelt. Doch auch ihre neue Funktion als probates Mittel, um die Migrationsströme in den Griff zu bekommen, erfüllt sie nicht. Wegen ihrer ambivalenten Zielsetzung stht eine klare entwicklungspolitische Strategie Europas noch aus.

 ■ Von CHARLES CONDAMINES *

ANFANG der sechziger Jahre warben Unternehmer und Politiker der reichen Länder in den ärmeren, meist südlichen Ländern Millionen Arbeiter an. Auch wenn es mittlerweile 18 Millionen Arbeitslose gibt, bekunden die europäischen Regierungen nach wie vor die Absicht, die heute legal im Lande lebenden Immigranten zu integrieren. Doch viel entschiedener ist ihr Tonfall, wenn sie erklären, daß die Zahl der Neuankömmlinge begrenzt und die Rückkehr gefördert werden muß. Diplomatischer ausgedrückt hat es Frankreichs Premierminister Lionel Jospin, als er von der Notwendigkeit sprach, „die Migrationsströme zu kontrollieren und zu organisieren“1 .

Die These, daß sich Aufenthaltsbedingungen und Personenverkehr auf internationaler Ebene effizienter regeln lassen, wenn die Regierungen des Nordens und des Südens kooperieren, erscheint einleuchtend, doch sie verschleiert eine wesentlich komplexere Realität.

Tatsächlich vermischen sich in dem Konzept von der „partnerschaftlichen Entwicklungshilfe“ die Berücksichtigung ökonomischer Zwänge und die Rechtfertigung massiver Polizeieinsätze gegen Ausländer ohne Aufenthaltsapapiere (wie etwa die Räumung der Saint-Bernard-Kirche im August 1996) mit einer Portion guten Willens. Das Verhalten der Politiker läßt Zweifel hinsichtlich ihrer wahren Absichten aufkommen.

Am 23. September 1996, nach der Räumung der Saint-Bernard-Kirche, schickte die Regierung von Alain Juppé zwar den französischen Entwicklungsminister nach Mali, um den Familien der Betroffenen mit finanzieller Hilfe und guten Worten beizustehen. Dennoch verlor sie auf beiden Ebenen: in der Integrationspolitik wie der Entwicklungspolitik. Und als ein Teil der sans-papiers ausgewiesen und per Chartermaschine nach Bamako gebracht wurde, empörte sich die französische Presse ebenso wie die Bevölkerung. Für die Industrienationen geht es darum, die Regierungen der Entwicklungsländer von der Richtigkeit einer Politik zu überzeugen, die diese vor allem als Selbstschutz der Reichen wahrnehmen: Die legale Zuwanderung ist in den letzten zwanzig Jahren auf ein Drittel geschrumpft.

So macht sich Argwohn breit, denn „die Migrationsströme kontrollieren“ kann ebensogut Nulleinwanderung heißen wie auch die Festlegung bestimmter zeitlich befristeter Einwanderungskontingente bedeuten, wie es Sami Nair kürzlich in einem Bericht an Premierminister Lionel Jospin vorgeschlagen hat.

In jedem Falle betrifft diese Politik immer dieselben Menschen. Zwischen 1990 und 1994 sank die Zahl der französischen Aufenthaltsgenehmigungen für Migranten aus Entwicklungsländern von 100000 auf unter 60000; dieser Rückgang betrifft Antragsteller aller Kategorien, Studenten ebenso wie Frauen und Kinder, die im Rahmen der Familienzusammenführung einwandern wollten, doch ist er besonders ausgeprägt bei lohnabhängigen Arbeitern und Flüchtlingen.

Die EU-Staaten, insbesondere die zehn Staaten des Schengener Abkommens2 , versuchen eine Art Sicherheitsnetz mit sogenannten „sicheren Drittstaaten“ zu schaffen. So unterzeichnete Spanien am 13. Februar 1992 mit Marokko ein Abkommen, in dem sich der Maghrebstaat verpflichtet, jeden Ausländer zurückzunehmen, der von marokkanischem Boden aus illegal nach Spanien eingereist ist. Doch nach dem Inkrafttreten des Abkommens im Dezember 1995 dauerte es fast vier Jahre, ehe Rabat bereit war, fünfundsechzig Immigranten aus schwarzafrikanischen Staaten, die via Marokko nach Spanien eingereist waren, aufzunehmen. Den Zeitraum zwischen der Unterzeichnung des Abkommens und seiner ersten Umsetzung nutzte Marokko, um Verbesserungen der Situation der in Spanien lebenden Marokkaner sowie eine Minderung seiner Auslandsverschuldung zu erwirken.

Die europäische Mittelmeerkonferenz3 , die am 27. und 28. November 1995 in Barcelona stattfand, war für die zwölf südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers eine willkommene Gelegenheit, sich ihre Vorbehalte gegen eine Klausel in der Abschlußerklärung abkaufen zu lassen, in der ihre Verantwortung „bei der Rücknahme illegaler Einwanderer“ explizit benannt wird.

Nach wie vor klagt man in Madrid, die marokkanische Polizei unterbinde die illegalen Grenzübertritte nicht mit genügend Nachdruck, worauf ein hoher Polizeibeamter in Rabat erwidert: „Europa erwartet, daß wir in Afrika den Gendarmen spielen, aber die nötigen Mittel dafür stellt es nicht bereit.“ Was den spanischen Staatssekretär des Inneren, Leopoldo Calvo- Sotelo, nicht davon abhält, ein ähnliches Abkommen mit Algerien anzustreben.4 Ebenso gibt es Rücknahme-Abkommen mit Polen, der Tschechischen Republik, Ungarn und Slowenien, die insbesondere Deutschland abgeschlossen hat.

Doch diese Politik ist kostspielig, und die Mittel sind knapp. Madrid zahlte 50000 Dollar an Guinea-Bissau, damit es fünfzig illegale Einwanderer zurücknahm.5 Und als der dänische Innenminister somalische Asylbewerber abschieben wollte, mußte er sich von einem Parlamentsabgeordneten den Vorwurf gefallen lassen, die Operation koste eine exorbitante Summe: mehr als 15 Millionen Mark für sechzig Personen. Auch die Niederlande zahlten 15 Millionen Mark, damit achthundert Äthiopier wieder in ihrer Heimat aufgenommen wurden. Die Regierung in London kostet es über anderthalb Millionen Mark, in einem „sensiblen“ Flughafen wie Neu-Delhi fünf „Luftverkehrsbeamte“ zu stationieren, doch vereitelten diese bereits die Einreise von 450 zusätzlichen Asylbewerbern, deren Antrag in London zu bearbeiten zwanzigmal teurer gekommen wäre.6

Wer illegale Immigranten ins Land bringt, kann mit abschreckend hohen Strafen belegt werden. Dies gilt besonders für die Fluggesellschaften. So sieht in Frankreich ein Gesetz vom 26. Februar 1992 eine Geldbuße von bis zu 10000 Franc (rund 3000 Mark) für jeden Passagier vor, der ohne gültige Einreisedokumente auf französisches Territorium gelangt. Allein auf den französischen Flughäfen wurden im Verlauf von drei Jahren fünftausend Strafmandate erteilt.

Die Idee, die Migrationsursachen zu bekämpfen, gewänne an Glaubwürdigkeit, wenn der Umfang der Entwicklungshilfe nicht konstant sinken würde. Und zwar auch in Frankreich, wo die Sozialistische Partei und ihre Verbündeten vor den Parlamentswahlen vom Juni 1997 anderslautende Zusicherungen machten. Mit 0,27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind die entwickelten Länder weiter denn je von den 0,7 Prozent für Entwicklungshilfe entfernt, die auf internationalen Foren unzählige Male zugesichert wurden.

Das französische Programm namens „Migration und Entwicklung“ etwa, das im September 1995 von den Ministerien für Entwicklung und für Soziales erarbeitet wurde, steckt sich Ziele, für deren Realisierung die Gelder fehlen. Es ging dabei um das Tal des Flusses Senegal. Die Finanzmittel sind sehr begrenzt (5 Millionen Franc, also rund 1,5 Millionen Mark, für drei Jahre), das Ziel aber ist breit angelegt: „die zurückkehrenden Migranten begleiten“ und „der vor Ort gebliebenen Bevölkerung helfen, ihre Lage zu stabilisieren“. Bis Ende Dezember 1996 wurden nur sechzig Einzelprojekte für Wiedereingliederung finanziert.

Gegenwärtig sind die Hauptnutznießer staatlicher Entwicklungshilfe keineswegs jene Länder, die am stärksten von einem „Abwanderungsrisiko“ betroffen sind. So kommt die überwiegende Mehrzahl der französischen Immigranten aus Algerien, Marokko und Tunesien, doch sind diese Länder keineswegs privilegierte Adressaten der französischen Großzügigkeit. Und in Frankreich leben zehnmal mehr Malier als Gabuner, und trotzdem erhält das Gabun von Präsident Omar Bongo (und des Ölgiganten Elf) pro Kopf zehnmal mehr Zuwendungen als Mali.

Es wird sehr viel Zeit und Geld kosten, ehe der Lebensstandard in den Entwicklungsländern an den der westlichen Staaten heranreicht. Wenn man die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens etwa von Tunesien, Marokko und Mali für den Zeitraum zwischen 1985 und 1994 extrapoliert, so bräuchten die Tunesier 123 Jahre, bis sie den augenblicklichen französischen Lebensstandard erreicht hätten, die Marokkaner 253 Jahre und die Malier 456. Abgesehen davon ist es keineswegs erwiesen, daß ein Wirtschaftsaufschwung notwendig eine Stabilisierung des Arbeitsmarkts zur Folge hätte. Die südostasiatischen Länder stellen eher ein Beispiel für das Gegenteil dar. Armut ist nur einer von mehreren Faktoren, die beim „Migrationsdruck“ eine Rolle spielen. Nach Jean-Loup Amselle, dem Chefredakteur der Zeitschrift Cahiers d'études africaines, ist die Entwicklungspolitik der „partnerschaftlichen Entwicklungshilfe“ kein Allheilmittel: „Die Komplexität der Migrationsprozesse erlaubt nicht, auf eine einzige Lösung zu setzen.“7 Innerhalb der Europäischen Union kommt nur jeder zwanzigste Einwanderer aus den sogenannten „am wenigsten entwickelten Ländern“. Und aus der Umgebung der Stadt Kayes in Mali wandern zwar sehr viele Menschen nach Frankreich und in andere Länder ab, doch ist dieser Landstrich nicht wesentlich ärmer als viele andere Sahelregionen in Burkina Faso, dem Niger oder dem Tschad.

Um den Migrationsdruck einzudämmen, werden Rückkehrhilfen gewährt, die ihrerseits Spannungen und gegenseitiges Mißtrauen schüren. In der Praxis verwischen sich die Grenzen zwischen gewissen Formen der Hilfe zur Rückkehr (meist finanzieller Art) und schlichtem Zwang.

1995 nahm die französische Polizei fast 50000 illegal im Lande lebende Einwanderer fest, aber nur 10000 wurden ausgewiesen. Das ist etwas weniger als 1993. In London wollte der neue Minister für Einwanderungsfragen, Mike O'Brien, den Mutmaßungen der Medien, wonach der britischen Polizei 50000 Illegale bekannt seien, ein Ende machen, indem er die frühere konservative Regierung beschuldigte, sie habe in dieser Sache eine sträfliche Nachlässigkeit walten lassen; er selbst werde sämtliche einmal getroffenen Beschlüsse in dieser Frage konsequent umsetzen.8

Ein Hauptgrund für die Ohnmacht der Polizei besteht darin, daß sie für jeden Auszuweisenden zunächst die Einwilligung eines Aufnahmelandes braucht. Dies wissen die illegalen Einwanderer und tun alles, um ihre Nationalität geheimzuhalten. So ist der Innenminister gezwungen, bei seinen ausländischen Amtskollegen um Kooperation nachzusuchen.

Als der somalische Staatssekretär für Wiederaufbau in Dänemark Verhandlungen über ein Rücknahme-Abkommen führte, das von einem Entwicklungshilfeprogramm flankiert werden sollte, dachte er öffentlich über die Entscheidungsmöglichkeiten seiner Landsleute nach. Anfang September 1997 weigerte sich die Regierung von Guinea-Bissau, sich von den Schweizer Behörden unter Druck setzen zu lassen: Mit der Begründung, sie sprächen keine der lokalen Sprachen, verweigerte sie die Aufnahme von fünf abgewiesenen Asylbewerbern, die die Berner Behörden, begleitet von einem Arzt und acht Polizisten, voreilig in ein Flugzeug nach Bissau gesetzt hatten. Wieder auf Schweizer Boden, wurden sie, da sie nach dem Gesetz nicht länger in Gewahrsam gehalten werden durften, auf freien Fuß gesetzt. Das Ganze kostete den Schweizer Steuerzahler 500000 Mark.9 Der deutsche Außenminister Klaus Kinkel seinerseits hat vorgeschlagen, die staatliche Entwicklungshilfe an all jene Länder einzustellen, die die Rücknahme ihrer Bürger verweigern.10

Erfolglose Versprechungen

INSGESAMT haben die Rückkehr- oder Wiedereingliederungshilfen die Hoffnungen nicht erfüllt, die ihre Erfinder in sie gesetzt hatten. 1977 zahlte die französische Regierung von Raymond Barre jedem ausländischen Arbeiter, der nach Hause zurückkehrte, 10000 Franc (rund 3000 Mark). Nach 1981 verdreifachte die neue Linksregierung diese Summe und versuchte eine konzertierte Aktion mit Unternehmen, die im Rahmen von Umstrukturierungen Stellen abbauten, insbesondere in der Automobilbranche. 1984 schließlich wurde eine Wiedereingliederungshilfe von etwa 20000 Franc (6000 Mark) eingerichtet und der Zuständigkeit des Büros für internationale Migration unterstellt.

Innenminister Charles Pasqua war ein heißer Verfechter der Nulleinwanderung und der sofortigen Abschiebung. Doch zugleich sprach er nie von der Einwanderung, ohne nachdrücklich die internationale Kooperation zu unterstützen und führte dabei manchmal als Beispiel das Departement Hauts-de-Seine an, dessen Präsident er ist. Er initiierte immerhin ein bemerkenswertes Projekt: Einwanderer aus der Sahelzone sollten ihre Illegalität in Paris verlassen und statt dessen zu Technikern für die Wartung von Motorpumpen und Hirsemühlen im Tal des Senegal werden. Doch weniger als zehn Illegale nahmen das Angebot an. Die Immigrantenvereinigungen ihrerseits waren der Meinung, es sei nicht ihre Aufgabe, Illegale an den Innenminister zu „liefern“. Die Affäre sorgte für Schlagzeilen – in Paris ebenso wie in Bamako.

Seit 1991 bietet Frankreich abgewiesenen Asylbewerbern eine einmalige Prämie von 1000 Franc pro Erwachsenem und 500 Franc pro Kind (300 bzw. 150 Mark) an sowie das notwendige Flugticket, wenn sie nach Hause zurückkehren. Die Überlegungen von Carl-Dieter Spranger, dem deutschen Minister für Entwicklung und Zusammenarbeit, gehen in eine ähnliche Richtung: Da ein Auffanglager in den Entwicklungsländern billiger sei, solle man die Illegalen doch dort unterbringen.11

Doch einer solchen Politik fehlen schlicht die Mittel. In Frankreich nutzten zwischen 1984 und 1989 nicht einmal 40000 Maghrebiner (inklusive Frauen und Kinder von Arbeitnehmern) die ihnen gemachten Angebote. Der Minister für Kooperation selbst räumt ein, daß die staatliche Wiedereingliederungshilfe, die 1984 und 1987 entlassenen oder arbeitslosen Immigranten angeboten worden war, „ihre Wirkung schnell eingebüßt“ hat: Nahmen 1984 noch 550 Malier dieses Programm in Anspruch, so war es 1993 noch ein einziger.

Und es steht keineswegs fest, daß höhere finanzielle Leistungen bessere Ergebnisse nach sich ziehen würden. Nach der deutschen Wiedervereinigung wollte Bonn die Verträge mit den 40000 vietnamesischen Arbeitern, die die DDR ins Land geholt hatte, nicht verlängern. Bundeskanzler Kohl hatte sogar die Rückkehr der Vertragsarbeiter in ihre Heimat zur Voraussetzung für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Vietnam und seinem Land erhoben. Am 21. Juli 1995 unterzeichneten die beiden Länder ein Abkommen, in dem sich Vietnam verpflichtete, bis zum Jahr 2000 seine 40000 Landsleute zurückzunehmen; Bonn sicherte im Gegenzug die Wiederaufnahme der Entwicklungshilfe zu. Für 1995 und 1996 vereinbarte Bonn eine Summe von 200 Millionen Mark. Doch zwei Jahre danach hatten nur 3200 Vietnamesen tatsächlich Deutschland verlassen, davon waren 2500 zwangsweise zurückgeführt worden.

Auch die wirtschaftliche oder soziale Effektivität der Wiedereingliederungsprojekte ist noch längst nicht bewiesen. Eine französische Parlamentsabordnung, die 1997 Mali besuchte, stellte unmißverständlich fest: „Menschen, die mehrere Jahre arbeitslos waren oder uninteressanten Tätigkeiten nachgegangen sind und die so weit gescheitert sind, daß man sie zur Rückkehr gezwungen hat, verfügen nicht über unternehmerischen Geist.“12 Einem Bericht des niederländischen Sozialversicherungsfonds zufolge haben 1996 nur 26 Immigranten eine Rückkehrhilfe beantragt; dabei würden gerade die in den Norden ausgewanderten klugen Köpfe mit ihrem hohen Ausbildungsniveau in ihrem Ursprungsland gebraucht, um dessen Entwicklung voranzutreiben.

Der Grundmechanismus ist immer derselbe. Er heißt: Geld gegen Aufenthaltsgenehmigungen. Doch ein Ausländer – ob er sich nun legal oder illegal im Lande aufhält – nimmt in allen Reden über wirtschaftliche Zusammenarbeit oder Entwicklungsförderung hauptsächlich den Wunsch wahr, er möge das Land verlassen. Dieser Widerspruch könnte bald auch für die Regierung von Lionel Jospin zum Problem werden: In den nächsten Monaten wird das französische Innenministerium vermutlich etwa zehntausend illegalen Immigranten, die eine Legalisierung ihres Aufenthalts beantragt haben, die Aufenthaltsgenehmigung verweigern. Danach werden sie „aufgefordert“ werden, das Land zu verlassen. Doch in den Präfekturen liegen längst die Anträge der Illegalen, legalisiert zu werden. Es steht also zu vermuten, daß die französische Öffentlichkeit Rechenschaft darüber verlangen wird, wie effektiv diese „Aufforderung“ zum Verlassen des Landes durchgesetzt wird, da sie sich an Menschen richtet, die aus ihrer Illegalität aufgetaucht sind.13

Die Dinge lägen ganz anders, wenn diejenigen, die im Aufnahmeland im Bereich der internationalen Zusammenarbeit tätig sind, die Immigranten wirklich als Partner betrachten würden.14 In vielen armen Ländern sind die Einnahmen aus den Überweisungen, die die Immigranten nach Hause schicken, viel höher als die Entwicklungshilfen. Wenn die Kommunikation aufrechterhalten und ein Ausgleich zwischen sehr unterschiedlichen sozio- ökonomischen Räumen organisiert werden soll, so muß gemeinsam mit den Immigranten – und nicht ohne oder gar gegen sie – vorgegangen werden. Und insbesondere müssen sie in den Kreis der Akteure auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe und des wirtschaftlichen Austauschs aufgenommen werden.

dt. Eveline Passet

* Berater

Fußnoten: 1 Le Monde, 16./17. November und 20. Dezember 1997. 2 Zu den Schengen-Staaten zählen zehn der EU- Mitglieder. Nicht angeschlossen haben sich bisher Großbritannien, Irland und Dänemark, Schwedens Beitritt soll noch vor 1999 erfolgen. Griechenland will beitreten, „sobald es kann“. 3 Siehe Gérard Kebabdjian, „Freihandelszone Mittelmeer?“, Le Monde diplomatique, November 1995. 4 El Pais, Madrid, 6. und 18. Juni 1997. 5 El Pais, Madrid, 10. Oktober 1996. 6 The Guardian, London, 27. Oktober 1997. 7 Le Monde, Paris, 23. Januar 1998. 8 The Daily Telegraph, London, 16. Juni 1997; The Guardian, London, 17. Juni 1997. 9 La Tribune de Genève, Genf, 12. September 1997. 10 Leipziger Volkszeitung, 28. Oktober 1997. 11 Ebda. 12 Xavier Deniau, „Migration et développement au Mali“, rapport No 3052, Journal officiel vom 23. Oktober 1996. Die Kommission untersuchte zwischen dem 12. und dem 17. September 1996 in Bamako und in der Gegend um Kayes die Lage vor Ort. 13 Am 28. Oktober 1997 beantragten 140000 Ausländer ohne gültige Aufenthaltspapiere eine Aufenthaltsgenehmigung. 10000 Anträgen wurde stattgegeben, etwa ebenso viele wurden zurückgewiesen. Libération, 29. Oktober 1997. 14 Vgl. „Les Immigrés atouts du développement“, Le Monde diplomatique, Dezember 1993.

Le Monde diplomatique vom 17.04.1998, von CHARLES CONDAMINES