12.03.1999

Die Schas-Partei – das Zünglein an der Waage

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Die Schas-Partei – das Zünglein an der Waage

AM 14. Februar dieses Jahres demonstrierten etwa 200000 Ultraorthodoxe in Jerusalem gegen drei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Diese besagten, daß auch Schüler aus Religionsschulen künftig zum Militärdienst eingezogen werden können (was bislang nicht der Fall war); daß auch die liberalen Juden das Judentum vertreten (also Konvertierungen durchführen) können; und daß die Kibbuzim offiziell das Recht haben, am Sabbat ihre Läden zu öffnen. Aufgerufen zu dieser Großdemonstration, die drei Monae vor den allgemeinen Wahlen in Israel einmal mehr die Kluft zwischen orthodoxen und weltlichen Juden dokumentiert, hatte die ultraorthodoxe Schas-Partei, deren Mitglieder in der Mehrzahl Sephardim sind.

Von MARIUS SCHATTNER

Die Nachricht eilt ihm voraus; sie verbreitet sich über die Trottoirs und durch die sich drängenden Gläubigen die Treppen zur Yazdin-Synagoge in Jerusalem hinauf. Noch bevor der Rabbiner Ovadija Jossef den großen Saal betritt, erheben sich die Versammelten, wenden ihre Gesichter zur Tür und hören nur noch mit halbem Ohr dem Redner zu, der soeben die anhaltende Dürre als eine „Strafe des Himmels“ bezeichnet hat. Ovadija Jossef kommt wie an jedem Samstag in den letzten zehn Jahren in seiner schwarzen, goldbestickten Toga eines alten sephardischen Rabbiners, um im Herzen des ultraorthodoxen Viertels der Juden aus Buchara seine Predigt zu halten. Nicht eben sanft halten die dunkel gekleideten Helfer die Menge zurück, die versucht, den verehrten Rabbiner zu berühren. Nach der Predigt wird der Rabbiner den Notausgang nehmen müssen.

„Ersinnet einen Plan, er wird vereitelt. Sprechet ein Wort, es hat keinen Bestand, denn mit uns ist Gott“, sagen die Anwesenden im Chor. Diese biblischen Verse – die im jüdischen Gebet erneuerte Warnung des Propheten Jesajas an die Feinde Israels – klingen wie eine Herausforderung. Hier in der Synagoge verströmen sie das Gefühl, die extrem Rechten genössen eine breite religiöse, ethische und politische Unterstützung.1

„Wir verehren Rabbi Jossef, weil ihm alles gelingt: mit Gottes Hilfe wird er das Volk zur Thora zurückführen, den Sephardim ihre Würde wiedergeben und seine Gegner überwinden“, erläutert uns der Gemeindediener. Die Verehrung gilt einem achtundsiebzigjährigen Mann, Witwer, in Bagdad geboren und in Palästina aufgewachsen; seine Gesundheit ist angegriffen, die Stimme schwach, aber vernehmlich, und zum Schutz der Augen sind seine Brillengläser getönt. Trotzdem: Dieser Mann ist das Oberhaupt der Vereinigung der sephardischen Wächter der Thora (Schas) und vielleicht der mächtigste Mann der israelischen Politik. Er gilt als hoher Talmudgelehrter und steht bei den Sephardim, wie die orientalischen Juden heißen, in hohem Ansehen.

Die Schas wurde von sephardischen Rabbinern gegründet, die sich nicht länger den Institutionen der Aschkenasim, der westlichen Juden, unterordnen wollten.2 Sie hat mittlerweile ihren Einfluß über das orthodoxe Milieu hinaus verbreitert. „Der Krone [des sephardischen Judentums] wieder den alten Glanz geben!“ lautet die Losung, die sich an alle Sephardim und somit an die Hälfte der israelischen Juden richtet, insbesondere an die vierhunderttausend marokkanischer Herkunft. Innerhalb von vierzehn Jahren hat sich die Partei Rabbi Jossefs zur drittstärksten des Landes entwickelt; 1984 hatten sie nur 4 von 120 Parlamentssitzen, 1996 bereits 10: so wurden sie schnell zum Dreh- und Angelpunkt in der Politik: Seit zehn Jahren sind sie das Zünglein an der Waage in jeder Regierungskoalition gewesen, und dies dürfte sich nach den Wahlen am 17. Mai fortsetzen. Doch der Erfolg beruht gewiß nicht nur auf den vielen ausgeteilten Talismanen, die bei wählerischem Wohlverhalten jedem der Besitzer die Wohltaten des hundertjährigen Kabbalisten Rabbi Kaduri verheißen.

Die jeden Samstagabend über Satellitenfernsehen sowie den Piratensender „Die Stimme der Wahrheit“ ausgestrahlte Predigt wendet sich an ein breites Publikum praktizierender, nicht nur orthodoxer Juden. Die jüdische Religion ist ein Regelwerk des Lebens, und so geht es in den Predigten um die unzähligen Fragen, die sich bei dem Versuch ergeben, die Einhaltung der Halacha mit dem modernen Leben in Einklang zu bringen, denn schließlich wurde der Talmud vor über dreizehnhundert Jahren kodifiziert. Die Antworten des geistigen Schas-Oberhauptes sind in einer einfachen Sprache formuliert, in ihnen mischen sich strenge Zitate mit erbaulichen Geschichten, Witzen und Anekdoten.

Manche der Entscheidungen des Rabbi mögen Nichtgläubigen lächerlich erscheinen3 , andere hatten nicht unerhebliche Konsequenzen: Er war es beispielsweise, der 1985 die äthiopischen Fallaschen entgegen dem Votum der übrigen Rabbiner als Juden anerkannte und so das größte Hindernis für deren Immigration nach Israel aus dem Weg räumte. Nach seinen Stellungnahmen zum israelisch-arabischen Konflikt zu urteilen, gehört er zweifellos zum Lager der „Tauben“ – im Gegensatz zu vielen Funktionären und Wählern seiner Partei, die von der Rechten kommen und anfällig sind für ultranationalistische, rassistisch gefärbte Rhetorik. Wiederholt hat Rabbi Jossef die religiösen Rechtsextremen angegriffen, die, vorgeblich im Namen der Halacha, jede Rückgabe besetzter Territorien verbieten: „Wenn sich herausstellt, daß die Abtretung von Gebieten einen aufrichtigen Frieden mit unseren arabischen Nachbarn ermöglicht, während eine Weigerung eine unmittelbare Kriegsgefahr bedeutet, werden wir die Gebiete abgeben müssen“4 , hat er erklärt.

Der Talmud selbst kennt nur drei absolute Verbote: Idolatrie, Mord und Inzest (inklusive Vergewaltigung). Daß jeder Zoll Israels verteidigt werden muß, steht nirgends geschrieben. Und dies nicht etwa, weil es vergessen wurde; ein neues Verbot einzuführen, so der Rabbi Jossef, sei vielmehr ein Sakrileg: Das Prinzip „Land gegen Frieden“, die Basis aller Übereinkünfte in der Region, verstößt nach dieser Auslegung in keiner Hinsicht gegen den Glauben. Doch Rabbi Jossef spricht nicht gerne über dieses Thema.

„Unser Anführer will die Basis der Partei nicht vor den Kopf stoßen, vor allem nicht vier Monate vor den Wahlen“, erklärt Zion Waknim, einer der besonders Getreuen unter den Getreuen des Rabbis; er hat seit zehn Jahren keine der Predigten versäumt und weiß zu berichten, der Rabbiner habe „kürzlich im privaten Kreis die Palästinenser harsch kritisiert, weil sie sich in Sicherheitsfragen nicht an die Absprachen gehalten haben“. Ferner hat er herbe Worte für die Nummer eins der Arbeitspartei: „Gott schütze uns vor falschen Ratgebern!“ hat er über Ehud Barak gesagt; Grund ist, daß dieser die Kampagne lanciert hat, nach der auch die Ultraorthodoxen zum Militärdienst müssen; im Schnitt lassen sich in Israel in jeder Altersklasse 8 Prozent aus religiösen Gründen vom Militärdienst befreien.

Auch den derzeitigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hat das Schas-Oberhaupt nicht verschont: er verglich ihn mit einem „blinden Mutterschaf“, das die Herde Israel durch seinen starrsinnigen Nationalismus in den Abgrund führe. Und doch ist die Schas innerhalb der Regierungskoalition der treueste Verbündete Netanjahus, wie sie ehedem die treueste Verbündete Jitzhak Rabins war – bis Arieh Deri, der starke Mann der Partei, wegen einer Korruptionsaffäre (das Gerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen) von seinem Amt als Innenminister zurücktreten mußte. Der Stimmenthaltung der Schas ist es zu verdanken, daß die Oslo-Verträge im Parlament eine Mehrheit erhielten, mit der sie nach außen legimitiert werden konnten. Doch der Likud-Chef verdankte gerade diesen Wählern seinen Sieg, nachdem Rabbi Kaduri ihm den Segen gegeben hatte.

Ein weiteres Paradox: Im Prinzip unterstützt die Schas keine Siedlungspolitik in besetzten Gebieten (außer in Ost-Jerusalem), wenn dabei das Leben jüdischer Siedler riskiert wird. In der Praxis jedoch ruft sie fromme Familien dazu auf, in die im Westjordanland für Ultraorthodoxe errichteten Schlafstädten zu ziehen – und in der Tat ist die Siedlung Emmanuel in Westjordanland die einzige Gemeinde, die von der Schas verwaltet wird.

Dies ist fraglos Opportunismus. Was würde mit dem gut ausgebauten Netz von Krippen, Schulen und religiösen Einrichtungen geschehen, das die Schas mit staatlicher Unterstützung aufgebaut hat, wenn die Partei von der Macht verdrängt würde? Ungeachtet allen Taktierens spiegeln sich in dem Hin und Her die widersprüchlichen Erwartungen der Israelis, die den Frieden wollen, ohne den Preis zu zahlen, und die die Idee eines palästinensischen Staates längst akzeptiert haben, ohne ihm die entsprechende Souveränität zu gewähren.

Diskriminierung der Orientalen

AUCH die Juden arabischer Herkunft schwanken in ihrem Verhältnis zur Palästinafrage. Doch im Gegensatz zu den Aschkenasim sind sie nicht durch die jahrhundertelange Verfolgung traumatisiert, die im Völkermord durch die Nationalsozialisten gipfelte.5 Natürlich trauern auch sie dem Status des dhimmi (unterjochte und zugleich geschützte Minderheit) nicht nach, den sie in ihren Heimatländern vor der Kolonisierung besaßen, doch die Schas bewahrt die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die allen Wechselfällen zum Trotz ein Leben in Koexistenz bedeutete. Zugleich nährt sie eine Feindseligkeit gegen die Araber – und die Gojim (Nichtjuden) überhaupt –, die im Ethnozentrismus des rabbinischen Judentums, ob sephardisch oder aschkenasisch, wurzelt.6

Die Palästinenser sind Feinde, die Marokkaner nicht. Das ist auch das Thema eines Comics für Kinder, der in der Schas- Wochenzeitung abgedruckt wird.7 Zwiespältig ist auch die Haltung der Schas gegenüber der arabischen Minderheit. Die Schas stellt den Innenminister und führt die Kassen der arabischen Gemeindeverwaltungen; im Laufe der Jahre hat die Partei sich so eine feste Klientel unter den eine Million arabischen Israelis verschafft und sogar Beziehungen zu gemäßigten Islamisten geknüpft. Doch diese relative Großzügigkeit setzt voraus, daß die Palästinenser an ihrem – untergeordneten – Platz bleiben. Man hat den Eindruck, wie die Tageszeitung Ha'aretz kürzlich bemerkte, als habe die Schas das Verhalten der muslimischen Mehrheit gegenüber den dhimmi übernommen. Doch das ist immer noch besser als jenes der aus Osteuropa stammenden Juden, die, wie Jitzhak Schamir, die Haltung der Polen, Russen und Ukrainer gegenüber der jüdischen Minderheit reproduzieren.

Der stellvertretende Gesundheitsminister Schlomo Beniziri wagt die These, die Schas sei gemäßigt. Außenpolitisch, erklärt er, „ist die Schas für einen Gebietskompromiß“; innenpolitisch „beabsichtigt sie nicht“, der nichtpraktizierenden Mehrheit der Juden die „religiöse Lebensform aufzuzwingen“. Die strenge Einhaltung der Halacha, betont er, „steht nicht im Widerspruch zur Demokratie“ – auch wenn die Partei immer wieder das oberste Gericht, die Schutzbastion der bürgerlichen Freiheiten, aufs heftigste attackiert, wie jüngst bei der Massendemonstration in Jerusalem.

Was die Wahlen am 17. Mai anbetrifft, ist Beniziri optimistisch, zumal die Anhängerschaft „wächst, da immer mehr Menschen zum Glauben zurückkehren und die von uns gebotenen sozialen Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Wir haben als einzige zwei Eisen im Feuer: die Rückbesinnung auf die Thora und den Kampf gegen die Diskriminierung der Sephardim. Diese Diskriminierung ist nicht mehr so stark wie in den ersten Jahren nach der Staatsgründung, aber sie besteht nach wie vor.“

Beniziri selbst hat sie nicht zu spüren bekommen, doch er ist mit den Demütigungen aufgewachsen, die sein Vater Maimon nach seiner Ankunft aus Marokko im Jahre 1956 hat erdulden müssen. Sein Vater, ein Arbeiter, hat bittere Erinnerungen an den Empfang, den die aschkenasische Arbeitspartei-Bürokratie den marokkanischen Juden bereitete. Und voller Stolz erinnert er sich daran , wie er 1959 an den Unruhen von Wadi Salib in Haifa teilgenommen hat, als Demonstranten marokkanischen Ursprungs schwarze Fahnen und ein Porträt König Mohammad V. schwenkten. Die Wunden der Vergangenheit sind auch nach vierzig Jahren nicht verheilt. Diesen „Sündenfall“ haben die Orientalen der Arbeitspartei nie verziehen, auch wenn Ehud Barak im Jahr 1997 ein – allerdings wenig überzeugendes – Schuldbekenntnis ablegte. Zumal die sozialen Ungleichheiten sich mit den ethnischen Bruchlinien decken und immer noch fortbestehen, ja sogar gewachsen sind.8 Merkwürdigerweise macht niemand dafür die Rechte verantwortlich, obwohl sie – abgesehen von einer kurzen Unterbrechung zwischen 1992 und 1996 – seit 1977 an der Macht ist: den Umfragen zufolge hat sie ihren Rückhalt immer noch bei den allerärmsten jüdischen Schichten, und davon sind 80 Prozent Orientalen.

„Das kommt daher, daß hauptsächlich nach Identität gewählt wird, und die Angst vor der Zukunft hat ebenso viel Gewicht wie die Erinnerung“, so Sammy Samoha, Soziologe an der Universität Haifa. Für diejenigen, die von der Globalisierung nichts zu erwarten haben und nicht dem Traum des früheren Premierministers Peres von Frieden und High-Tech nachhängen können, repräsentiert die Arbeitspartei eine beängstigende Moderne.

Dennoch ist es nicht ausgemacht, daß Benjamin Netanjahu der Champion der Sephardim bleibt. „Es gibt ein Mittel, um den Bann zu brechen“, meint Jehuda Lancry, Abgeordneter der kleinen Gescher- Partei, die von dem ehemaligen Außenminister David Levy geführt wird (der selbst aus Marokko stammt). Lancry zufolge muß als erstes bei den nächsten Wahlen der Likud geschlagen werden: Das ist denkbar, sagt er, denn bei den letzten Wahlen hatte Netanjahu kaum Vorsprung, und seine Partei steckt derzeit in einer beispiellosen Krise. Als zweites müsse man eine Sozialpolitik einleiten, die sich von der der Rechten wirklich unterscheidet. Dabei setzt Lancry weniger auf die Schas – in der er eine „beunruhigende Regression“ ausmacht – als vielmehr auf die Mittelschichten und die gebildeten unter den Sephardim. David Levy, erläutert er weiter, habe zwar an Popularität verloren, doch könne gerade er möglicherweise den Bruch zwischen den breiten Volksschichten und der Rechten verkörpern.

Mit größerem Recht ist dies von Jitzhak Mordechai anzunehmen: er hat sich nach seiner Ernennung zum Verteidigungsminister im Januar dieses Jahres (zusammen mit Amnon Schahak und den früheren Ministern Dan Meridor und Rony Milo) an die Spitze einer Partei gestellt, die sich als Partei der Mitte versteht und ein sehr vages Sozialprogramm vorlegt. Er stammt aus Irakisch-Kurdistan und ist in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Seine ganze Popularität verdankt der General der Tatsache, daß er als Armeechef keinerlei gefährliche Aktionen angeordnet hat. Er ist zudem der einzige Orientale, der einen großen Truppenteil befehligt, was die sephardischen Intellektuellen als historische Wende begrüßen. Mordechai hat den Segen Rabbi Jossefs erhalten, nachdem er ihm zum Zeichen der Ergebenheit den Bart geküßt hat. Aber bisher hat sich die Schas gehütet, eine Wahlempfehlung zu geben.

Benjamin Netanjahu präsentiert sich den Wählern als „starker Führer für ein starkes Israel“. Um diesen beängstigenden Slogan hat es großes Geschrei gegeben, aber auf den Märkten, jener Hochburg des Likud, wird Netanjahu weiterhin mit „Bibi, König von Israel!“-Rufen empfangen. Auch dieses Mal hängt alles vom Votum der Sephardim ab.

dt. Barbara Heber-Schärer

* Journalist in Jerusalem, Verfasser von „Histoire de la droite israélienne“, Brüssel (Complexe) 1991.

Fußnoten: 1 Vgl. Joseph Algazy, „Die Männer in Schwarz schüren den Kulturkampf“, Le Monde diplomatique, Februar 1998. 2 Rabbiner Eliezer Schah, geistiges Oberhaupt einer jüdischen Strömung litauischer Herkunft, hat bei der Entstehung der Shas eine große Rolle gespielt; deren erste Funktionäre sind ja durch die Mühlen der aschkenasischen religiösen Institutionen gegangen. Vgl. Arieh Dajan, „Ha Maayan Ha Mitgaber“, Jerusalem (Keter) 1998 (auf hebräisch). Dieser Forscher hält es für möglich, daß die Shas an die Stelle des Likud tritt. 3 Etwa das Dekret vom Juni 1997, demzufolge ein Jude nicht zwischen zwei Frauen gehen darf, und sechs Monate später das Verbot, sich am Sabbat, dem heiligen wöchentlichen Ruhetag, die Nase zu schneuzen. 4 Aufsatz des Rabbiners Ovadija Jossef in der Zeitschrift Kuntras, Nr. 8, Jerusalem, Oktober 1989. 5 Der israelische Historiker Yaacov Yuval schreibt in seinem Artikel „La vengeance et la malédiction, le sang et la calomnie“ (“Rache und Verfluchung, Blut und Verleumdung“), im Mittelalter habe das sephardische Judentum (in Spanien) eine weit weniger düstere Vision vom Ende der Zeiten gehabt als das aschkenasische (in Deutschland), weil diese von den Massakern durchreisender Kreuzfahrer regelrecht traumatisiert wurden (Zion, 58, Jerusalem 1993). Der Kontrast zwischen sephardischer und aschkenasischer Welt(sicht) ist auch Gegenstand des jüngsten Buches von A. B. Jehoshua, „Voyage vers l'an mille“, Paris (Calman- Lévy) 1998. 6 Vgl. Marius Schattner, „Alliance du nationalisme et de la religion en Israäl“, Esprit, Nr. 242, Mai 1998, S. 86-113. 7 Jugendbeilage der Wochenzeitung Mi jom le jom, Jerusalem, Nr. 259, Januar 1998. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, aber der Rabbi wird mit heiler Haut davonkommen. 8 Einer Studie aus dem Jahr 1995 zufolge lagen die Einkommen der orientalischen Juden im Durchschnitt 30 Prozent unter denen der Aschkenasim. Ein großer Teil der orientalischen Juden wohnt immer noch in billigen, schlecht ausgestatteten Wohnungen, die in Vorstädten und Entwicklungsstädten weit weg vom Zentrum hochgezogen werden. 1995 haben sie im Durchschnitt 40 Prozent weniger Gemeindesteuern für ihre Wohnungen bezahlt als die Aschkenasim, was deren geringeren Wert belegt. Obwohl sich die Zahl der orientalischen Studenten in den letzten dreißig Jahren mehr als verdoppelt hat, stellen sie immer noch nur 26 Prozent der 1995/1996 eingeschriebenen Studierenden, während 40,2 Prozent der entsprechenden Altersgruppe insgesamt Orientalen sind. (Statistik des Adva Centre, veröffentlicht in dessen Bulletin Equality Monitor, Tel Aviv).

Le Monde diplomatique vom 12.03.1999, von MARIUS SCHATTNER