17.03.2000

Putin und die Sehnsucht nach dem „New Deal“

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Putin und die Sehnsucht nach dem „New Deal“

Boris Jelzin hinterlässt nach neunjähriger Amtszeit ein weitgehend geschwächtes und geschundenes Land. Die Statistiken zeichnen ein niederschmetterndes Bild: Das Bruttoinlandsprodukt ist um 40 Prozent gesunken; von ein paar Betrieben des primären Sektors abgesehen, die sage und schreibe 70 Prozent des Exports bestreiten, lahmt die Industrieproduktion. Die Wirtschaft ist durch den Investitionsrückgang und eine Kapitalflucht, die sich in zig Milliarden Dollar bemisst, total zerrüttet. 40 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze.

Für die Russen ist dieser Zusammenbruch besonders schmerzlich, weil sie sich in ihrem Nationalstolz gekränkt fühlen. Das Land ist international isoliert, seine direkten Nachbarn sparen nicht mit Kritik und Ablehnung – was selbst russische Autofahrer zu spüren bekommen, wenn sie von ukrainischen Behörden schikaniert werden. Der Westen erweitert seinen Einfluss immer weiter in Regionen hinein, die traditionell der russischen Einflusssphäre zugerechnet werden: im Kaukasus oder in Zentralasien, und natürlich in den baltischen Staaten, deren Beitritt zur Europäischen Union in nicht allzu ferner Zukunft bevorsteht. Dass in der Kosovo-Frage die einstige Großmacht zunächst übergangen wurde, schockierte die öffentliche Meinung in Russland zutiefst, obwohl im Westen die Bedeutung der „slawischen Brüderschaft“ übertrieben wurde. „Zum ersten Mal seit dreihundert Jahren könnte Russland ein zweit- oder drittrangiger Staat werden“, schrieb Wladimir Putin kurz vor seiner Ernennung zum amtierenden Präsidenten.

Freilich ist die Lage in Russland viel facettenreicher, als das – oftmals mit einer gewissen Selbstgefälligkeit beschriebene – Chaos nahe zu legen scheint. Trotz der seit Jahren zu beobachtenden Verschlechterungen und gravierender Mängel funktionieren Verkehrs- und Kommunikationswesen und ebenso die Verwaltungs-, Bildungs- und Kultureinrichtungen. Nach der schweren Finanzkrise vom Sommer 1998 waren alle Beobachter überrascht, wie rasch die Wirtschaft wieder in Fahrt kam: 1999 stieg das Bruttoinlandsprodukt um 2 Prozent, die Industrieproduktion zog um 8 Prozent an, und der Außenhandelsüberschuss wird auf immerhin 32 Milliarden Dollar geschätzt – auch wenn ein Teil dieses Aufschwungs auf die wieder anziehenden Erdölpreise zurückgeht, deren Verfall maßgeblich zur Krise beigetragen hatte. (Siehe den Artikel von Nicolas Sarkis auf den Seiten 1 und 16.)

Um den wirklichen Zustand des Landes beurteilen zu können, müssen auch die tief greifenden Veränderungen in Anschlag gebracht werden, die während Jelzins Regierungszeit stattfanden. Von den zwölf Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ist Russland zweifellos dasjenige, in dem bei allen Fehlern und Widersprüchen die Reform der wirtschaftlichen, institutionellen und politischen Strukturen am radikalsten – und mit erstaunlichem Tempo – vollzogen wurde. Verhaltensweisen und Mentalität eines Großteils der Bevölkerung haben sich verändert: Zahlreiche Umfragen belegen, wie sehr sich Meinungs-, Reise- und unternehmerische Freiheit bereits im Bewusstsein der Menschen verankert haben. Zwar werden die Medien manipuliert und der Tschetschenien-Konflikt instrumentalisiert, doch haben die letzten Parlamentswahlen ebenso wie die Regionalwahlen gezeigt, dass demokratische Wahlverfahren schon eingespielt sind.

So erscheint die Bilanz von Jelzins Präsidentschaft verworren und widersprüchlich. Wenn westliche Experten Russland als abschreckendes Beispiel für den Transformationsprozess darstellen, so spiegelt dies vor allem ihre Unfähigkeit, sich von einer vorgefassten Lesart zu verabschieden, die den russischen Besonderheiten kaum Rechnung trägt.

Unterschätzt hat man dabei die wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise vor 1991, die Starrheit der Strukturen und Denkmuster der alten Sowjetunion. Die hinterließ ein System, das sich grundlegend von dem der anderen sozialistischen Staaten unterschied, wo Markt und Demokratie in der Erinnerung – und teilweise gar in der Praxis – lebendig geblieben waren. Ein Aspekt dieser Hinterlassenschaft war im Übrigen eine verhärtete politische Konstellation, in der fast neun Jahre lang eine reformorientierte Exekutive einem konservativen Parlament gegenüberstand, in dem die Kommunistische Partei und ihre Verbündeten die Mehrheit hatten.

Das waren die Bedingungen, unter denen Boris Jelzin und seine verschiedenen Ministerpräsidenten den radikalen Bruch mit dem alten System in Angriff nahmen. Ob dabei im eigentlichen Sinn vom Aufbau eines wirklichen politischen Systems gesprochen werden kann, bleibt fraglich. Eher herrschte wohl eine beständige pragmatische Verzahnung von reformerischem Voluntarismus und hartnäckiger Verteidigung jener Machtpositionen, die man während der Wirren des fehlgeschlagenen Putsches im Jahre 1991 erlangt hatte. Dazu waren alle Mittel recht: mal geduldige parlamentarische Arbeit, die jedoch oftmals von der Parlamentsmehrheit blockiert wurde, ein andermal der Rückgriff auf politische Manipulation und ein Ausspielen der unterschiedlichen Partikularinteressen im Parlament; und selbst blutige Auseinandersetzungen waren kein Tabu – hierzu zählt die Erstürmung des Weißen Hauses im Oktober 1993 ebenso wie der erste Tschetschenien-Krieg Ende 1994.

Die politische Instabilität sowie das Fehlen eines breiten Konsenses über Ausmaß und Abfolge der Reformen verleiteten die Regierung, kaum in Kraft getretene Gesetze nicht anders als zu sowjetischen Zeiten alsbald mit Ausnahmen und Sonderregelungen zu versehen, mit dem Ziel, Unternehmen, Wirtschaftsbereiche oder auch ganze Regionen zu begünstigen, auf deren politische oder finanzielle Unterstützung man setzte. Praktiken wie diese höhlten nicht nur die Autorität der neuen Gesetze aus, (man sprach von Föderalismus à la carte), sie verführten darüber hinaus Politiker und Beamte, die mit der Umsetzung der Gesetze betraut waren, dazu, unmittelbare Machtinteressen und die Interessen der von ihnen repräsentierten Personen oder Lobbys miteinander zu verquicken.

Selbstvertrauen für die Menschen

DIE Rolle der ausländischen Berater und ihrer empfohlenen Modelle wurde schon ausgiebig erörtert. Wladimir Putin meint, dass „die Modernisierung unserer Heimat“ nicht gelingen könne, wenn „abstrakte Modelle und Schemata aus ausländischen Handbüchern“ durch „simplen Transfer“ auf russischen Boden verpflanzt würden. Der Historiker Roj Medwedjew hat auf die wichtige Rolle der westlichen Berater verwiesen, die ab November 1991 ins Land strömten und eine Art „Generalstab der Schocktherapie“ für die Gaidar-Regierung bildeten. Zugleich aber kritisiert er vor allem die Vorstellungen von Demokratie und Marktwirtschaft in den Köpfen der ersten liberalen russischen Reformer. Die seien von einer dogmatischen Naivität gewesen, die man nur mit der Sowjetideologie der sozialistischen Planwirtschaft vergleichen könne.2

Die ersten Reformschritte, die damals unternommen wurden, waren geprägt von einer Mischung aus Illusion und Zynismus. Illusion insofern, als man glaubte, die Marktmechanismen könnten Wirtschaft und Gesellschaft innerhalb kurzer Zeit verändern, ganz so wie die 1921 von Lenin lancierte Neue Ökonomische Politik – wobei man allerdings außer Acht ließ, dass diese ihren relativen Erfolg der Tatsache verdankte, dass seinerzeit der Markt in der sozialen Praxis der Menschen noch gegenwärtig war. Eine Illusion, die im Übrigen von breiten Schichten der Bevölkerung geteilt wurde, was sich an der überschwänglichen Begeisterung zahlloser Russen für verschiedene Finanzspekulationen erkennen lässt.

Illusion auch insofern, als man überzeugt war, die Gesetze des Marktes könnten rasch die Regulierungsfunktion des Staates übernehmen, und zwar auch in der schwierigsten Phase des Übergangs, als die alten Praktiken nicht mehr galten, während die neuen Gesetze bestenfalls im Entwurfsstadium waren und dadurch in allen Bereichen ein juristisches Vakuum und Grauzonen entstanden, die Missbrauch und Fehlverhalten Tür und Tor öffneten. Der Wunsch, das Joch des alles regulierenden Staates abzuschütteln, geriet umso stärker, als im Westen zur selben Zeit dem entfesselten Liberalismus das Wort geredet wurde.

Der reine Zynismus allerdings prägte die Vorstellung, nur ein radikaler Bruch – um welchen gesellschaftlichen Preis auch immer – könne den Erfolg der Reformen sichern: War nicht seinerzeit auch in den großen westlichen Industrieländern die Phase der kapitalistischen Akkumulation von sozialen Krisen, Finanzskandalen und allerlei Verwerfungen begleitet gewesen? In dieser Hinsicht kümmerten sich die Politiker, die Russland zum unkontrollierten Labor der kapitalistischen Transformation machten, ebenso wenig um Wohl und Wehe der Bevölkerung wie nach 1917 ihre revolutionären Vorgänger. Der blutige Krieg in Tschetschenien sollte dies deutlich unter Beweis stellen.

Nach neun Jahren Reformen unter diesen Voraussetzungen ist die ökonomische und politische Landschaft Russlands grundlegend verwandelt und bietet ein mehr als widersprüchliches Bild; sie erscheint als Puzzle aus demokratischen Momenten und Ansätzen einer liberalen Wirtschaft, in dem zugleich Überbleibsel von typisch sowjetischen Abläufen und Strukturen auszumachen sind.

Da sind auf der einen Seite die Oligarchen, die die großen Finanz-, Industrie- und Medienkonzerne kontrollieren, deren Bildung der Kreml unterstützt hat, um den westlichen Monopolunternehmen Paroli zu bieten. Als nahezu rein russisch konzipierte Unternehmen ließen sie sich jedoch auch auf internationale Spekulationsgeschäfte ein, statt ihre Produktionsbereiche über die traditionell dominanten Sektoren (Erdöl, militärisch-industrieller Komplex, Stahlindustrie) hinaus zu erweitern. So trugen sie paradoxerweise zur Schwächung des Landes bei. Doch darf man die Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen nicht vergessen, deren Privatisierung auf der Ebene der Regionen durchgeführt wurde. Hier waren Günstlingswirtschaft und zweifelhafte Verbindungen zwischen Lokalpolitikern und Unternehmensleitern nicht weniger selten – einige Gouverneure sind bekanntlich in kriminelle Machenschaften verwickelt. Auf regionaler Ebene garantieren aber die viel konkreteren Mechanismen, dass die Probleme der Bevölkerung eher berücksichtigt werden.

Seit 1996 werden Lokalpolitiker direkt gewählt, was viel dazu beigetragen hat, dass sie sich mehr um die regionalen Wirtschaftsinteressen kümmern. Überhaupt haben die Regionen in den letzten Jahren maßgeblich zum Zusammenhalt Russlands beigetragen, weshalb die Gouverneure und Republikpräsidenten Anfang 1999 glaubten, sie könnten wie der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow eine entscheidende Rolle in der russischen Politik spielen. Sie verwiesen zu Recht auf den Punkt, in dem Boris Jelzin am deutlichsten versagt hat: Er konnte den Russen kein Vertrauen in ihre Zukunft einflößen, was viel mit dem internationalen Vertrauensverlust zu tun hatte.

Die Kommentare zu Putins Chancen, im Falle eines Wahlsiegs eine entscheidende Veränderung herbeizuführen, sind von seltener Zurückhaltung. Dass seine Nominierung zum Ministerpräsidenten mit dem Ausbruch des zweiten Tschetschenien-Krieges zusammenfiel, hat im Westen für frostige Stimmung gesorgt. Zumal es sich gelohnt zu haben scheint,den Krieg zu Wahlzwecken auszuschlachten – zumindest eine Zeit lang. Die verschiedenen Etappen seiner Karriere – kleiner KGB-Beamter in der DDR, dann wichtigster Berater eines der umstrittensten Reformer, des damaligen Bürgermeisters von Sankt Petersburg Anatoli Sobtschak, und schließlich getreuer Parteigänger des Kremls – haben Putin zweifellos erlaubt, vielfältige Erfahrungen zu sammeln und sich die Loyalität wichtiger Gefolgsleute zu sichern. Doch seine eigenen Überzeugungen werden dabei nicht recht sichtbar.

Viele Menschen in Russland meinen, Putin verfüge über die notwendigen Voraussetzungen, eine Art „New Deal“ auf den Weg zu bringen, den das Land so dringend braucht: Dies hieße, gestützt auf ein wiedergewonnenes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, eine breite Öffentlichkeit für einen wirtschaftlichen und nationalen Aufschwung zu mobilisieren. Der anhaltend hohe Ölpreis, das leichte Wirtschaftswachstum 1999 und eine unzweifelhafte Popularität (die nicht erst mit dem Tschetschenien-Krieg eingesetzt hat) machen Putin halbwegs unabhängig von den Oligarchen und ihren Medien, während ihm gleichzeitig zugute kommt, dass die wichtigsten westlichen Politiker ihm gegenüber neutral eingestellt sind. Putin sagt, es gehe heute nicht mehr darum, in zwanzig Jahren den Kapitalismus eingeholt zu haben, wie dies seinerzeit Nikita Chruschtschow verkündete. Er gibt sich vielmehr realistisch: „Es wird fünfzehn Jahre dauern, bis wir bei einer jährlichen Wachstumsrate von 8 Prozent [um diese Rate ist die Industrieproduktion 1999 gestiegen] Spanien oder Portugal eingeholt haben.“ Es geht also mit kleinen Schritten voran.

Die meisten Beobachter sind sich über die wichtigsten Voraussetzungen zur Bewältigung der Krise einig: Die regulierende Rolle des Staates muss verstärkt werden – eine Auffassung, die im Übrigen vielen westlichen Überlegungen entgegenkommt; zugleich müssen die verschiedenen Elemente der ökonomischen und politischen Reform sowie ihre Zielsetzungen aufeinander abgestimmt werden. Es muss hart gegen die Kriminalität vorgegangen werden und mehr noch gegen die Grauzonen, die derzeit das Verhältnis von Finanzwelt und Politik bestimmen. Wichtiger noch als die zum Teil unerlässlichen juristischen Maßnahmen oder die Wiederverstaatlichung einzelner Unternehmen ist es, das Vertrauen der Investoren wiederzugewinnen; vor allem aber muss russisches Kapital in die offizielle Wirtschaft zurückfließen, die „Legalisierung“ der Schattenwirtschaft steht an.

Eines der zentralen Wahlkampfthemen ist die Umverteilung. Der Graben zwischen den neuen Reichen und den neuen Armen, wie man sie in Russland nennt, ist zu tief geworden. Putin hat sich nicht nur verpflichtet, die ausstehenden Gehälter und Pensionen nachzuzahlen, für den März hat er auch eine Erhöhung der Renten um 40 Prozent angekündigt. Nur ein leeres Wahlversprechen? Ja und nein. Auch Jewgeni Primakow verschaffte sich in seiner Amtszeit als Premierminister politische Unterstützung, indem er die Gehälter der Beamten anhob. Und damit die wirtschaftliche Stabilisierung Rückhalt in der Bevölkerung findet, müssen auch diese Wählerschichten in irgendeiner Form von ihr profitieren.

Kann Wladimir Putin eine solche Veränderung herbeiführen? Wie er seit Juli 1999 mit den Problemen in den Regionen umgegangen ist, hat – von Tschetschenien einmal abgesehen – die Beobachter beeindruckt. Wiederholt hat er sich vor Ort informiert und bewiesen, dass er zuhören kann und wirkliche Hilfe anzubieten hat. Leute wie General Alexander Lebed, die weiterhin auf Spaltung setzten und nur ihr Eigeninteresse verfochten, wurden harsch zurechtgewiesen. Ebenso deutliche Signale erwartet nun die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung und der unternehmerisch Aktiven an die Adresse der großen Oligarchen, aber auch an die monopolistischen Sektoren (Energie und Transport). Denn deren von der Vorgängerregierung betriebene Deregulierung hat maßgeblich zu Amtsmissbrauch und Kriminalität in Finanzen und Politik beigetragen.

In der neuen Duma, in der weder die liberale Rechte noch die konservative Linke eine klare Mehrheit haben, kann Putin nicht auf eine Mehrheit von Reformanhängern rechnen. Doch wird er sich auf andere gesellschaftliche Kräfte stützen können: vor allem auf die wichtige Gruppe der – wirtschaftlichen und politischen – Entscheidungsträger in den Regionen, die nichts sehnlicher wünschen als klare Spielregeln. Diese Bewegung birgt zweifellos das Risiko einer Schwächung der Zentralgewalt.

Aber Jelzins Nachfolger hat einen wichtigen Trumpf in der Hand, wenn es darum geht, ein neues funktionelles Gleichgewicht zwischen Moskau und den ländlichen Regionen zu schaffen: Er stammt selbst aus der Provinz, weshalb er bei den meisten Gouverneuren und Republikpräsidenten, die der Moskauer Elite von jeher mit Misstrauen begegneten, einen gewissen Vertrauensvorschuss genießt. Auch wird er mit jener Mittelschicht rechnen können, die nach der Katastrophe vom Sommer 1998 ein wenig übereilt für erledigt erklärt wurde. Diese sehr heterogene Schicht litt unter der Krise umso heftiger, als sie nach den ersten positiven Auswirkungen der Reformen glaubte, ihre Schäfchen nun endlich im Trockenen zu haben. Sie teilt mit der Bevölkerungsmehrheit nicht nur eine tiefe Abneigung gegen die Oligarchen und deren Praktiken, sondern ist auch bereit, eine Neuaufnahme des Reformprozesses zu unterstützen und eine Rückkehr zur Ordnung mitzutragen – sofern das die neu erlangten Bürgerrechte nicht einschränkt.

Die überraschende taktische Allianz von Kommunistischer Partei und Medwed („Der Bär“, die neue „Partei der Macht“) in der Duma – während Anatoli Tschubais die triumphale Rückkehr einer radikalen liberalen Rechten ankündigte – beweist den Willen, das unstete Hin und Her einer komplexen politischen Realität auszunutzen. Putin rechtfertigte dieses Bündnis mit seinem Wunsch, einen breiten Konsens zu erzielen, damit die noch fehlenden Elemente der institutionellen Reform von der Duma verabschiedet werden. Er hat im Übrigen ein Zentrum für strategische Forschungen beauftragt, ein Aktionsprogramm zu entwickeln, das Ende Februar vorgelegt werden sollte.

In nächster Zukunft wird die Aufmerksamkeit der russischen wie der ausländischen Beobachter sich zweifellos auf zwei Schlüsselbereiche konzentrieren, in denen der Wille zu einem neuen Kurs unter Beweis gestellt werden kann: Da ist zum einen die Frage, wie Putin das Problem der Kaukasusrepublik Tschetschenien löst, und zum andern, ob es ihm gelingt, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und der Schattenwirtschaft wie auch der kriminellen Aktivitäten Herr zu werden.

dt. Passet/Petschner

* Professor an der Inalco, Mit Alexis Berelowitsch Autor von „100 Portes de la Russie“, Paris (Editions de l‘Atelier) 1999.

Le Monde diplomatique vom 17.03.2000, von JEAN RADVANYI