10.11.2000

Die Regierung in Belgrad vor ersten Belastungsproben

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Die Regierung in Belgrad vor ersten Belastungsproben

Von CATHERINE SAMARY *

DER neue jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica verfügt über eine Mehrheit, die ihn als einzige denkbare Alternative zu Slobodan Milosevic ausweist. Dessen Niederlage, die einer lange angestauten Verbitterung der Bevölkerung entsprungen war, hat in der ganzen Region viele Hoffnungen aufkeimen lassen. Aber natürlich bestehen die komplexen Probleme, die der Krise zugrunde liegen, unverändert weiter. Und die schwierigsten Fragen – über die Zukunft des Kosovo und Bosnien-Herzegowinas – sind einer Antwort noch nicht näher gekommen.

„Wir hätten nie gedacht, dass es so einfach sein würde“ – dieser Satz ist gegenwärtig in in aller Munde. Noch im August 2000 hatte das Regime 21 Richter ihres Amtes enthoben, weil sie Miroslav Todorović von der Jugendbewegung Otpor (Widerstand) verteidigt hatten. An den Universitäten wurden regimetreue Rektoren eingesetzt1 , die Entlassungen von Journalisten häuften sich. Doch nach den Wahlen vom 24. September, während jener zehn Tage, die Serbien erschütterten, schien die „starke Belgrader Regierung“ in den Straßen der Hauptstadt erstaunlich wenig präsent. Statt dessen verkündeten riesige Plakate den Sieg von Vojislav Koštunica, der zersetzende Humor der Otpor sprang von den täglichen Versammlungen und lautstarken Demonstrationszügen auf die Bevölkerung über und half, die Angst zu überwinden.

Das Polizeiaufgebot war angesichts der Lage sehr bescheiden – denn die Truppen zeigten offenbar wenig Bereitschaft, im Moment des Machtzusammenbruchs gelyncht zu werden. Die Zusammenstöße hielten sich also in Grenzen. Als in einem entschlossenen Kraftakt die Absperrungen vor dem staatlichen Fernsehen mit dem Bagger freigeräumt und das Gebäude besetzt wurde, kam es zur Verbrüderung der Dienst habenden Bataillone mit der jubelnden Menge. All dies machte deutlich, wie unbeliebt die Regierung in der Bevölkerung bereits war.

Der Machtmensch Slobodan Milošević, der sich allerdings auf eine gewisse legale Basis stützen konnte, erhoffte sich von den Wahlen eine erneute Konsolidierung seiner Macht. Doch die Oppositionsgruppierungen waren in mehr als 90 Prozent der Wahlkreise mit Beobachtern vertreten. „Die Wahlen waren äußerst gut überwacht – bis am Sonntag um zwei Uhr früh die Ergebnisse der Armee eintrafen. Diese hatte massiv für Koštunica gestimmt“, erklärt der Soziologe Milo Petrović. „Die Behörden gerieten in Panik und jagten die Stimmenauszähler davon. Das Ergebnis war im Wesentlichen jedoch schon bekannt.“ Die Regierungskoalition hatte sich über das Ausmaß des Meinungsumschwungs getäuscht, der sich innerhalb weniger Monate in der gesamten Gesellschaft vollzogen und auch den Regierungsapparat erfasst hatte.

Seit Mai 2000 ging die Regierung scharf gegen die jungen Leute der Studentenorganisation Otpor vor, die es gewagt hatten, die Bastion des Präsidentenehepaares in Pozarevac anzugreifen. Die Repressionsmaßnahmen schürten die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. „Ich werde nicht singen, solange sie die Jugendlichen prügeln“, erklärte etwa der Chansonier Djordje Balasević.2 Sein für Juni geplantes Konzert in Nis hatte er abgesagt: „Das Publikum kommt mit Otpor-T-Shirts in das Konzert. Diese Symbole sind einfache Erkennungszeichen für die jungen Menschen, doch leider erkennt sie auch die Polizei.“3 Und er meinte mit bemerkenswerter Voraussicht: „Ich bin erstaunt, dass in diesem Land noch keiner auf die Idee gekommen ist zu sagen: Wir alle sind Otpor.“

Heute findet die Balasević-CD „In Freiheit leben“ an den Kiosken der Fußgängerzone im Zentrum Belgrads reißenden Absatz. Die Zeilen „Mein Herz schlägt im Rhythmus des Widerstands “ kennt schon fast jeder auswendig. Otpor zeigte sich enttäuscht von den Machtspielen, die die Opposition gespalten hatten, und so war es vor allem diese Jugendbewegung, die mit ihren bissigen Buttons und Stickers – etwa der erhobenen Faust mit dem viel zitierten „Er ist am Ende“ (Gotov je!) – den serbischen Oktober prägte.

„Er“ wäre allerdings noch nicht „am Ende“, wenn sich das Gesicht der Opposition, die zu Beginn des Sommers noch diskreditiert und sogar in der Frage des neuen Wahlgesetzes gespalten war, seither nicht grundlegend gewandelt hätte. Das Wahlgesetz verstärkte tatsächlich den zentralstaatlichen Charakter des Landes und bewog die Mehrheit der Montenegriner, die Wahlen zu boykottierten. Slobodan Milošević konnte sich so der allgemeinen Wahl stellen, ohne für seine neuerliche Bestätigung eine qualifizierte Mehrheit zu benötigen. Der Machthaber aus Belgrad setzte für seine Wiederwahl auf die starke Wahlenthaltung und die Zersplitterung seiner Gegner. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass sich im August 18 Parteien zur Demokratischen Opposition Serbiens (DOS) zusammenschließen würden – und Zoran Djindjić in Vojislav Koštunica, dessen Einstellungen so deutlich von den seinen abweichen, einen Präsidentschaftskandidaten für die Opposition finden würde.4

„Es handelt sich um ein technisches Bündnis“, erläutert der Soziologe Bora Kuzmanović, neu gewählter DOS-Abgeordneter und Mitglied der vom ehemaligen General Vuk Obradović gegründeten Serbischen Sozialdemokratie. „Vor dem Sommer haben wir mit einem subtilen Fragenkatalog die Meinung der Bevölkerung ermittelt“, erklärt er. So konnte die Opposition herausfinden, welche Eigenschaften ihr Kandidat erfüllen müsse: „Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass Vojislav Koštunica [dessen weitgehend bedeutungslose Partei sich bis dahin dem Oppositionsbündnis nicht angeschlossen hatte] der geeignetste Kandidat sei.“

Aus gutem Grund. Die Regierungspresse hatte Koštunica zu Popularität verholfen, indem sie seine konsequent gegen die Nato-Bombardierungen gerichteten Stellungnahmen verbreitete. Man wußte also von Koštunica, dass er Hilfsgelder und die amerikanische „Unterstützung“ ablehnt, zudem ist er für seinen bescheidenen Lebenswandel bekannt. Die gegen Oppositionspolitiker gerichteten Angriffe und Unterstellungen der Regierung, sie seien „von der Nato gekaufte Spione“, konnten Vojislav Koštunica also wenig anhaben. Als Persönlichkeit, die für Slogans wie „Weder Milošević noch die Nato“ und „Nein zu jedweder Korruption“ einsteht, war er laut den Umfrageergebnissen der passende Präsidentschaftskandidat – was sich in den Wahlen bestätigte.

Die Geburt der jugoslawischen Zivilgesellschaft

DIES bedeutete zwar vordergründig eine Niederlage für die von Zoran Djindjić angeführte Koalition, die unter dem Druck der Vereinigten Staaten lange einen Wahlboykott ins Auge gefasst hatte, um Slobodan Milošević nicht zu legitimieren. Man brachte dann jedoch hinreichend politische Intelligenz auf und ergriff unverzüglich die Chance, die sich mit dem „Übergangskandidaten“ bot. „Dieser Umbruch wird andere Umbrüche ermöglichen.“ Selbst Präsident Koštunica bestätigte am Abend des 5. Oktober erneut: „Ich bin nicht gewählt worden, um an der Macht zu bleiben, sondern um möglichst bald Neuwahlen zu organisieren.“

Ein weiteres Mal stellte die Opposition ihre politische Klugheit unter Beweis, als sie am Vorabend des entscheidenden Tages die Bergarbeiter von Kolubara südlich von Belgrad unterstützte, die gegen die Unterschlagung ihres Wählerwillens protestierten. Zu diesem Zeitpunkt wartete man noch auf das Urteil des Verfassungsgerichtshofes, und es war noch unklar, welche Haltung die Armee, Russland und somit auch Milošević einnehmen würden. Während die so genannte sozialistische Regierung ihre Eliteeinheiten entsandte und das Streikkomitee wegen Sabotage verhaften lassen wollte, rief die DOS zur massiven Unterstützung der Bergarbeiter auf.

Dragoljub Micunović, einer der Streikführer, empfing am 4. Oktober vor Ort Tausende von Demonstranten, die aus der Umgebung herbeigeströmt waren. Bald kam auch Vojislav Koštunica dazu. Zahlreiche ehemalige Milošević-Wähler waren in diesen Arbeiterbastionen zur Opposition übergelaufen, und man spürte bereits die Stimmung, die tags darauf Belgrad erfassen sollte, wo sich die Armee mit der Zivilgesellschaft verbrüderte. Dass es eine solche Zivilgesellschaft gibt, war vom Westen konsequent geleugnet worden, seit diese sich gegen die Nato-Angriffe ausgesprochen hatte. Rund eineinhalb Jahre nach Ende des Krieges mobilisierte diese Zivilgesellschaft nun massiv gegen die Regierung.

Der neue „Bundespräsident“ Koštunica wurde mit den Stimmen des serbischen Volkes gewählt, zwei Drittel der Montenegriner und die Gesamtheit der Kosovo-Albaner hatten die Abstimmung jedoch boykottiert. Unmittelbar nach seiner Wahl wandte Kostunica sich zunächst an die Milošević-Anhänger in Montenegro, um seine Mehrheit zu konsolidieren, wohingegen Zoran Djindjić die Vorschläge des montenegrinischen Präsidenten Milo Djukanović zugunsten einer Konföderation zwischen den beiden Staaten unterstützte. In seiner ersten Rede vom 5. Oktober unterstrich Koštunica jedoch die Notwendigkeit eines Dialogs mit beiden Lagern in Montenegro, wie auch einer Diskussion über die Beziehungen zwischen den Völkern, die nicht „von den Zufälligkeiten der Wahlen abhängen dürfen“. Er verzichtete auf die von Belgrad bis dahin vertretene „Kontinuitäts“-These und räumte ein, dass Jugoslawien 1991 praktisch zu existieren aufgehört hatte. Gleichzeitig stellte er eine Gemeinschaft beider Staaten in Aussicht.

Was das Kosovo betrifft, fordert der neue Präsident die Umsetzung der UN-Resolution 1 244. Aber diese – äußerst doppeldeutige – Resolution erklärt das Kosovo zu einer Provinz Jugoslawiens und nicht Serbiens. Ein Bewusstseinswandel könnte jedoch eintreten angesichts der inneralbanischen Konflikte, die eine großalbanische Perspektive wenig attraktiv erscheinen lassen, der katastrophalen Bilanz der großserbischen Politik, der Entwicklungen in Kroatien in der Ära nach Tudjman und des Rücktritts von Alija Izetbegović, dessen Partei in Bosnien in die Minderheit geraten ist. Dies alles könnte den Weg freigeben für einen letzten Auflösungs- und Neugliederungprozess der Beziehungen zwischen den souveränen Staaten und Völkern des Balkans auf gleichberechtigter Ebene.

„Die Serben im Kosovo sollten sich als Kosovaren bezeichnen.“ Diese außergewöhnlichen Worte stammen aus dem Mund einer 23-jährigen Serbin mit Spitznamen Tweety, die sich voller Enthusiasmus in die Zusammenarbeit mit albanischen feministischen Organisationen gestürzt hat. Realistisch fügt sie allerdings hinzu: „Es wird wohl zwanzig Jahre dauern, bis der gegenseitige Hass überwunden sein wird.“

„In allen Umfragen hat sich bestätigt, dass heute soziale Fragen Vorrang vor nationalen Anliegen haben“, betont der frisch gewählte Abgeordnete Bora Kuzmanović. Das ist nicht weiter erstaunlich. Ein Jahr nach den Bombardierungen sind durch staatliche Wiederaufbauprogramme lediglich 5 Prozent der direkten Schäden behoben, bei Wohnungen sind es 9 Prozent.5 Die Industrieproduktion ist gegenüber 1998 um 21 Prozent gesunken, die Löhne gegenüber 1999 um 34 Prozent. Zu ergänzen ist, dass der durchschnittliche Monatslohn weniger als 90 deutsche Mark beträgt, ein Viertel der Arbeitslosen und zweifellos ebenso viele Lohnabhängige auf „Zwangsurlaub“ nur 10 Mark und ein Teil der 1,2 Millionen Rentner nur knapp 30 Mark im Monat beziehen.

Wer sich nicht auf dem Schwarzmarkt versorgen kann, muss frühmorgens endlos Schlange stehen, um die subventionierten Grundnahrungsmittel Zucker, Milch und Öl zu erhalten. Zwar hatte die Regierung vor den Wahlen die Notenpresse angeworfen, um einige ausstehende Löhne und Beihilfen auszubezahlen – schließlich rekrutiert sich ihre treueste Wählerschaft aus alten Menschen, den ärmsten Schichten und der Landbevölkerung. Die mafiöse Bereicherung führender Politiker, ihres Umfeldes und des klientelistischen Beziehungsnetzes, auf das sie sich stützen, hat die Bevölkerung in Wut versetzt.

Diese Veruntreuungen werden von der DOS zwar heftig kritisiert, aber gleichzeitig befürwortet sie eine Beschleunigung der Privatisierungen. Dabei wird zur „Arbeiterselbstverwaltung“ aufgerufen, um die derzeitigen Unternehmensbosse abzusetzen. Miroljub Labus, Mitglied der liberalen Ökonomengruppe G17, bei dem die DOS vorfühlte, ob er das Innenministerium übernehmen wolle, erklärte am 24. September in der Belgrader Wochenzeitung Nin: „Investitionen in die Infrastruktur sind ein eleganter Weg, um den Westen für die Bombenschäden zahlen zu lassen, und zwar im Interesse Europas.“

Präsident Koštunica, der die Sanktionen des Westens stets kritisiert hatte, erreichte deren Aufhebung und weckte dadurch die Hoffnung auf bedeutende Auslandsinvestitionen und den Einbezug Serbiens in den Stabilitätspakt für Südosteuropa. Doch dieser Perspektive stehen einerseits die – gemessen am Bedarf – lächerlichen Finanzmittel gegenüber, die von der EU bisher in diesem Rahmen freigegeben wurden, und andererseits die von Brüssel favorisierte Wirtschaftspolitik, deren Resultat ein weiterer sozialer Zerfall sein wird. (siehe untenstehenden Artikel von Nebojsa Vukadinović).

Eine Revolution der Jungen und der Armen

PROFESSOR Ivo Ivić, den die DOS für das Erziehungsressort gewinnen möchte, ist zurückhaltend: „Der Wirtschaftsteil des Programms steht im Widerspruch zum Sozialteil – den die Ökonomen mit Sicherheit nicht gelesen haben. Ersterer sieht Steuersenkungen vor. Wie sollen dann aber die sozialen Bedürfnisse, insbesondere im Unterrichtswesen, befriedigt werden, zu denen man sich im zweiten Teil verpflichtet?“ Jeder kann sich selbst ein Urteil darüber bilden, was seit 1995 in Bosnien und den anderen Nachbarländern vor sich geht, die im Rahmen dieser Politik „Unterstützungen“ erhalten. Davon zeugt auch die am 14. September in der Wochenzeitung Nin veröffentlichte Umfrage, welchem Kandidaten am ehesten zugetraut wird, den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern: auf Slobodan Milošević entfielen 26,5 Prozent der positiven Antworten, auf Vojislav Koštunica 30 Prozent, und 39 Prozent gaben an, es nicht zu wissen.

Die Stimmen gegen Milošević waren keine Stimmen für die Opposition“, kommentiert der Schriftsteller und ehemalige jugoslawische Präsident Dobrica Cosić, der selbst die DOS unterstützt hatte. „Serbien hat eine demokratische Revolution erlebt, die von den Jungen, den Armen und den Arbeitern getragen wurde. Die demokratische Opposition war nur jener Faktor, der die Wahl organisiert hat. Doch die Parteien, aus denen sie besteht, sind zu schwach, um die in sie gesteckten Erwartungen zu erfüllen.“

Professor Ivić, der sich geweigert hatte, einen Vertrag zu unterzeichnen, mit dem er sich dem von der Regierung eingesetzten Dekan hätte unterwerfen müssen, erzählt, wie „jenseits der Wahlen und legalen Verfahren in den Fabriken und an den Universitäten direkte Formen des Machtwechsels um sich greifen“. Er beschreibt, wie soeben der Dekan der philosophischen Fakultät „entlassen“ wurde, und kommt dann auf Genex zu sprechen, einen riesigen Mischkonzern, dem der Handel mit der ehemaligen UdSSR obliegt. Der Generaldirektor dieses Unternehmens und ehemalige Minister Radovan Bozević, ein Mann, „der sich privat bewachen lässt, sich dank Mafiakontakten bereichert hat und jeglichen Dialog verweigert“, wurde von den Arbeitern zum Rücktritt gezwungen.

Auch die Bergarbeiter von Kolubara setzen ihren Streik fort, der sich nunmehr gegen den aktuellen Direktor richtet. Zahlreiche andere Unternehmen sind ihrem Beispiel gefolgt und knüpfen wieder an die Selbstverwaltungsrechte an, die seit Einsetzen der Krise unterdrückt worden sind. Nach Ansicht von Professor Ivić, der Anfang der siebziger Jahre vom Bund der Kommunisten ausgeschlossen wurde, weil er die Philosophen der Zeitschrift Praxis gegen die titoistische Repression verteidigt hatte, „übernahm Milošević vom Titoismus nur die repressiven Elemente und diskreditierte damit in den Augen der jüngeren Generationen den Begriff der Linken“. Deshalb stimmte Ivić auch für „einen Umbruch, der neue Möglichkeiten für eine wirkliche Linke eröffnet“. Der Hochschullehrer arbeitet für die Unicef und leitet ein Erziehungsforum. Er ist beunruhigt über „jene Kräfte in der DOS, die bereit sind, sich in allen Bereichen westlichen Vorschlägen zu unterwerfen, unter dem Vorwand, man müsse das Rad nicht neu erfinden. Wir müssen uns den Veränderungen öffnen und gleichzeitig das Rad neu erfinden, indem wir unsere eigenen Ressourcen mobilisieren“, erläutert Ivić.

Die Tatsache, dass ein Abkommen über die Durchführung von Neuwahlen für Serbien am 23. Dezember getroffen wurde, obwohl sich das serbische Parlament noch immer in den Händen der ehemaligen Mehrheit befindet, zeigt, dass sich selbst in den Rängen der Regierungspartei Brüche abzeichnen und die Wendehälse in den Startlöchern sitzen. Diese Entwicklung wird zweifellos dazu beitragen, Slobodan Milošević und seine Ehefrau Mira Marković, die wegen ihres Klientelismus ausgesprochen schlecht angeschrieben ist, von der Macht zu entfernen.

Was die anderen Verbrechen betrifft, wird es für die serbische Gesellschaft entscheidend sein, dass sie selbst darüber richten kann, wie dies der Fonds für humanitäres Recht von Natacha Kandic fordert. Das Haager Tribunal für Verbrechen im früheren Jugoslawien könnte hier im Übrigen eine friedenstiftende Rolle spielen, sofern es bereit ist, sich mit allen Verbrechen zu befassen, die im jugoslawischen Raum begangen wurden.

dt. Birgit Althaler

* Dozentin an der Universität Paris-Dauphine, assoziierte Forscherin bei der Groupe Transition et Développement (GTD) in Grenoble; gemeinsam mit Jean-Arnault Dérens Autorin von „Conflits yougoslaves de A à Z“, Paris (Editions de l'Atelier) Oktober 2000.

Fußnoten: 1 Siehe „Warum die serbische Opposition die Massen nicht gewinnt“, Le Monde diplomatique, Februar 2000. 2 Siehe Vreme 1/07-2000, wiedergegeben in Courrier des Balkans vom 13. Juli 2000. 3 Ebenda. 4 Die DOS besteht aus drei Strömungen: den Nationalliberalen, den Ultraliberalen mit Zoran Djindjić von der Demokratischen Partei und schließlich den Sozialdemokraten. Die Serbische Erneuerungspartei von Vuk Draskovic hielt sich abseits und bezahlte dies damit, in die völlige Bedeutungslosigkeit abzugleiten. 5 Siehe Vreme vom 24. Juni 2000, wiedergegeben in Courrier des Balkans vom 28. Juni 2000.

Le Monde diplomatique vom 10.11.2000, von CATHERINE SAMARY