14.05.2004

Stolz, Hass, Verachtung

zurück

Stolz, Hass, Verachtung

„Die schwarzen Dorfbewohner brennen das Weideland der arabischen Nomaden ab, um sie von ihren Dörfern fern zu halten. Sie machen das nicht, um den Boden zu verbessern. Das hilft nicht, um die Wüste zurückzudrängen … Die tun es vor allem aus Hass!“

„Es besteht die große Gefahr, dass es wieder nur um die Zugehörigkeit zu Stämmen und Clans geht. Dieses Jahr (2002) hat es schon 2 000 Tote im Kampf zwischen den Arabern und den Fur gegeben. 75 000 Afrikaner von hier sind beim Militär und werden im Krieg gegen den Süden eingesetzt. … Der Frieden wird bald kommen – durch Abspaltung, oder durch die Amerikaner. Und dann? Was, glaubst du, werden die kräftigen jungen Männer, die nichts als Kämpfen gelernt haben, wohl machen, wenn sie nach Hause kommen? Natürlich ihren Clan verteidigen! Wenn nichts gegen den Hass getan wird, wird es hier ein Blutbad geben.“

„Bei uns müssen die Engel gewählt haben! Niemand ist wählen gegangen. Und sie haben volle Wahlurnen nach Khartum geschickt.“

„Im Namen des Islam werden wir in Sachen verwickelt, die wir nicht wollen, und die nichts mit uns zu tun haben.“

„Man kriegt hier die afrikanischen Fernsehkanäle nicht herein, nur die arabischen Sender. So ähnlich ist es auch beim Radio, bei Büchern, bei Musik … Die Regierung will ja auch arabisch sein, nicht afrikanisch. Schau dich mal um in den Musikläden hier in Nyala! Da findest du vielleicht zwei oder drei Kassetten mit afrikanischer Musik – die Regale sind voll mit arabischen Sachen. Frag mal einen Sudanesen nach den neuesten Weltnachrichten. Er wird den Namen des Palästinensers wissen, der heute früh getötet wurde, aber er hat keine Ahnung davon, was seit drei Monaten im Tschad los ist. Er weiß besser Bescheid über die arabische Welt als über das, was vor den eigenen Grenzen passiert.“

„Man kann nicht von mir verlangen, dass ich mich wegen einer Religion von meiner Herkunft, meinen Traditionen, meiner Kultur abwende. Für mich ist der Islam eine Philosophie, eine geistliche Botschaft, die zu meinem Leben passt. Aber mein Land hat afrikanische Wurzeln, die viel weiter zurückreichen als der Islam. Wir können nicht einen Islam leben, der zur arabischen Kultur gehört. Wir hier in Darfur sind afrikanische Muslime, und unser Islam hat eine afrikanische Geschichte – er stammt aus aus dem 16. Jahrhundert, aus den alten Zentren des Islam: Abéché im Tschad, Kola im Senegal, Timbuktu in Mali, Kanon in Nigeria …“

„Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt; ich bestelle mein Land. Ich habe drei Brüder und drei Schwestern. Ich war fünfzehn Jahre in der Koranschule. Ich kann den Koran auswendig!“

„Hier im Dschebel Marra wird sich kein Rizeigat zeigen. Die Rizeigat sind Araber. Wenn ein Araber hierher kommt, dann stirbt er!“

„Das Unglück hat hier drei Namen: Elend, Hitze, Araber!“

„In der Zeit, bevor wir mit der Ernte fertig sind, kommen die arabischen Nomaden herunter. Wasser gibt es nur noch in ein paar Brunnen in ausgetrockneten Wadis. Die Bauern sagen, die Kamelhirten machen ihre Pflanzungen kaputt, und die Räuberbanden nutzen das aus – ihre Verbrechen werden den Arabern zugeschrieben.“

„Ich bin Araber! Bei Gott, ich bin Araber! Ich bin ein Rizeigat, ein Baggarah Rizeigat. Ein Araber, bei Gott!“

„In früheren Zeiten, vor hundert, vielleicht hundertfünfzig Jahren, führten die Rizeigat vom Clan der Mahamid Krieg gegen die Dinka. Sie drangen in ihr Gebiet im Süden ein. Sie töteten die Männer und verschleppten Frauen und Kinder. Die Kinder wurden an arabische Stämme verkauft, an die Kababisch und die Schenabla. Dort mussten sie arbeiten, aber ohne Geld zu bekommen – und wer nicht arbeitete, zack, der war tot. Die Frauen nahmen sie für sich. Hier ist das so: Du bist Araber, wenn dein Vater Araber ist. Also auch wenn die Mutter Dinka oder von einem anderen Stamm ist: Die Kinder werden Araber, wie ihr Vater. Sie haben auch Rinder gestohlen, und dann fingen sie selber mit der Viehzucht an. Daher haben sie den Namen „Rizeigat Baggarah“: Sie sind Rizeigat, aber sie halten Rinder (baggar), nicht Kamele. Aber sie nennen sich Araber. Madibu, der Emir der Rizeigat Baggarah, wird sehr wütend, wenn man ihn einen Afrikaner nennt, er will unbedingt Araber sein … Dabei sieht er überhaupt nicht aus wie ein Araber. Schau dir bloß mal seine Nase an!“

„Bei den Rizeigat darf man niemanden einen Sklaven nennen. Das ist die schlimmste Beleidigung. In so einem Fall wird eine Versammlung beim Scheich einberufen, oder beim Nasir; da kommen alle omdas (Oberhäupter) und Familienmitglieder zusammen. Der Übeltäter kann zu einer hohen Strafe verurteilt werden – bis zu hundert Kamele kann ihn das kosten!“

„Früher durfte man keine solchen Waffen haben, hier in der Wüste. Erst unter der jetzigen Regierung ist alles schlechter geworden. Es gibt immer mehr Geld, aber alles wird teurer. Unter Numeiri ging es uns besser, da hatten wir weniger, aber es war genug, um viele große Familien zu ernähren. Heute sind nur noch die ganz oben reich. Bei Gott, nur die haben den Vorteil vom Geld im Land!“

„Vor fünf Tagen haben Räuber drei Polizeifahrzeuge angegriffen und dreizehn Polizisten getötet. Alle hatten Kalaschniks. Hier heißen die Kalaschniks mangustos. Aber ich habe eine amerikanische Kalaschnik, eine Winchester M 14, das ist viel besser …“

„Hier waren seit zwei Tagen keine Zaghawa mehr. Hier beginnt das Gebiet der Kababisch, die sind nicht so gefährlich. Wenn sie eine Kalaschnik sehen, geben sie Ruhe. Besonders seit dem Massaker. Eine Kababisch-Familie ist auf zwei Rizeigat mit ihren Herden gestoßen, und sie wollten vier Kamele haben. Die Rizeigat wollten nicht, und da haben die Kababisch die vier Kamele getötet. Dann zogen die Rizeigat ihre Kalschniks und töteten ein paar Kamele von den Kababisch, bevor sie selbst erschossen wurden. Eine Woche später kamen dreißig Rizeigat, um Rache zu nehmen, sie haben alle umgebracht, die an der Sache schuld waren. Und bei Gott, seitdem machen die Kababisch den Rizeigat keinen Ärger mehr. Außerdem wollen wir Araber keine Probleme untereinander. Mit den Zaghawa ist das was anderes, die sind gefährlich und haben viele Waffen. Im Frühjahr haben sie in meinem Dorf, in Misteri’a, fünfzehn Rizeigat getötet. Sie sind auf Pferden gekommen. Wir haben dann 94 von ihnen getötet …“

„Nein, du kannst nicht zu den Zaghawa gehen! Nicht mit mir zusammen. Ich bin Rizeigat – Araber! Wenn sie dich zusammen mit mir gesehen haben, bringen sie dich um. Die kennen kein Erbarmen, die töten aus Lust am Töten. Selbst wenn es nichts zu stehlen gibt. Wenn du jetzt mit denen gehst, dann darfst du nicht mehr zu den Rizeigat zurückkommen. Du musst dich entscheiden!“

Zitate gesammelt von Claude Iverné

Le Monde diplomatique vom 14.05.2004