12.09.2003

Vier Jahrhunderte Unterdrückung

zurück

Vier Jahrhunderte Unterdrückung

DER Konflikt um Mindanao reicht zurück bis ins 16. Jahrhundert, als die spanische Kolonialmacht von Manila aus Truppen entsandte, um die Region zu unterwerfen und die muslimische Bevölkerung zum Christentum zu bekehren – damals erhielten die Bewohner Mindanaos den Namen „Moros“, analog zu den „Mauren“ in Spanien. Dreihundert Jahre lang führten diese Moros einen erbitterten Abwehrkampf gegen die Kolonisierung.

Die Sultanate Sulu und Maguindanao waren souveräne, kulturell und religiös eigenständige Herrschaftsgebiete, mit klar definierten Grenzen. Sulu bestand seit 1450, Maguindanao seit Anfang des 16. Jahrhunderts. So erklärt sich die Heftigkeit des Widerstand der Moros gegen die spanischen Invasoren. Schon der Sultan Kudarat, Herrscher des Sultanats Maguindanao, hatte begriffen, worum es bei diesem Kampf ging. In einer Rede, die er vor der Moro-Bevölkerung der Stadt Lanao hielt, rief er mit dem Argument zum Widerstand auf, nur so könne sich das Volk die Freiheit erhalten und ein Sklavenschicksal ersparen.

Im Friedensvertrag von Paris, der 1898 den spanisch-amerikanischen Krieg beendete, trat Spanien seine philippinischen Besitzungen an die USA ab, einschließlich der Moro-Gebiete, die noch kaum unterworfen waren. Danach wurden die Kämpfe noch härter. Zwischen 200 000 bis 600 000 Menschen starben in einem lang dauernden erbarmungslosen Krieg(1), der erst 1946 zu Ende ging, als die USA die Philippinen in die Unabhängigkeit entließen. Die Moros wurden in dieses neue Staatsgebilde, dem sie ablehnend gegenüberstanden, zwangsweise integriert. Die Maranaos(2) bezeichneten die neue Zentralregierung ausdrücklich als gobierno as sarwang a tao – eine Fremdherrschaft.

Die jahrhundertelangen Kriege prägten das Verhältnis der Moros zu den Kolonialherren und danach das zu den christianisierten Ureinwohnern, der Bevölkerung der heutigen Philippinen. Stets spielte die Religion die wichtigste Rolle bei der Unterscheidung von Freund und Feind. Die Christen waren traditionell Freunde und Verbündete der Kolonialherren, die nichtchristlichen Völker versammelten sich im gegnerischen Lager. Bis heute wirkt diese Zuschreibung nach: Sie markiert eine religiöse und kulturelle Bruchlinie in der philippinischen Gesellschaft.

Fußnoten: 1 Siehe Maurice Lemoine, „Massacre aux Philippines“, Le Monde diplomatique, Mai 2003. 2 Die Maranaos, eine der drei großen ethnischen Gruppen der Moros, leben im Gebiet des Lanao-Sees.

Le Monde diplomatique vom 12.09.2003