09.04.2020

Virus gegen die Pressefreiheit

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Virus gegen die Pressefreiheit

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Aus aller Welt werden in Verbindung mit der Corona-Pandemie Fälle von Zensur gemeldet. Diktatorische und autoritäre Regime, aber nicht nur sie, versuchen unerwünschte Nachrichten über die Gefährlichkeit des Virus Sars-CoV-2 zu ­unterdrücken und die freie Berichterstattung unter diesem Vorwand einzuschränken.

In Thailand kann die Regierung von General Prayut Chan-o-cha aufgrund eines Dekrets vom 26. März jede Information verbieten, die sie für falsch hält oder die „Angst in der Bevölkerung auslösen“ könnte. Bei Zuwiderhandlung droht eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren. Onlineportale können angewiesen werden, missliebige Informationen zu „korrigieren“.

In Turkmenistan haben die Behörden aus den Broschüren, die in Schulen und Krankenhäusern verteilt werden, das Wort „Coronavirus“ getilgt. Berichten zufolge wurden Personen, die sich in der Öffentlichkeit, etwa in Warteschlangen, über das Virus unterhalten, von Polizisten in Zivil verhaftet. Offiziell hält das diktatorische Regime an der Fiktion fest, dass es in Turkmenistan noch keinen einzigen Infizierten gibt (Stand: 5. April).

In Iran haben Geheimdienst und Revolutionswächter im ganzen Land Medienschaffende wegen ihrer Berichterstattung über die Epidemie zu Verhören vorgeladen. Mehrere von ihnen werden beschuldigt, Gerüchte verbreitet zu haben.

Am 18. März haben die Behörden in Ägypten die Guardian-Korrespondentin Ruth Michaelson zur Ausreise gezwungen und Declan Walsh, den Kairoer Bürochef der New York Times, verwarnt. Beide hatten über eine kanadische Studie berichtet, die für Ägypten weit höhere Fallzahlen annimmt als von den Behörden angegeben. Zudem hat der „Hohe Medienrat“ des Landes zwei Nachrichtenportale für sechs Monate suspendiert, weil sie „falsche Nachrichten“ über die Corona-Pandemie verbreitet hätten.

In der Türkei wurden bis Anfang April sieben Medienschaffende festgenommen, weil sie über Infektionen und Patienten, die an Covid-19 gestorben sind, berichtet haben. Die Behörden werfen den Journalisten „Verbreitung von Panik“ vor.

Mehrere afrikanische Regierungen versuchen die Berichterstattung durch zensurähnliche Maßnahmen zu behindern. In Nigeria und Liberia wurde der Zugang zum Büro des Präsidenten auf wenige ausgewählte Medien beschränkt, die fast alle von der Regierung kontrolliert werden oder ihr nahestehen. In Kamerun geben die Behörden an mehrere regierungskritische Medien keine Informationen mehr weiter. In Madagaskar wurden Radiosendungen untersagt, in denen Anrufer den Umgang der Regierung mit der Pandemie kritisiert hatten. In der Elfenbeinküste wurden zwei Journalisten wegen Verbreitung von „Falschnachrichten“ zu hohen Geldstrafen verurteilt, nachdem sie über zwei Corona-Fälle im größten Gefängnis von Abidjan berichtet hatten. In Südafrika wurde ein Sondergesetz erlassen, das für die Verbreitung von „Falschnachrichten“ bis zu sechs Monate Gefängnis vorsieht. In Mali wurde ein Reporter der Zeitung L’Indépendant wegen eines Berichts über die Pandemie vorübergehend festgenommen. Ebenso erging es in der DR Kongo einem Team des Senders DRTV.

Le Monde diplomatique vom 09.04.2020