12.06.2014

Zehn Einwände aus den USA

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Zehn Einwände aus den USA

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1. Aushebelung der neuen Maßnahmen zur Finanzmarktregulierung Die Verhandlungsführer der Europäischen Union haben eine Einschränkung der Bankenregulierung sowie die Revision der Reformen gefordert, die Präsident Obama zur Regulierung der Finanzmärkte durchgeführt hat. Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen die 2015 in Kraft tretende „Volcker-Regel“, die den gefährlichen Eigenhandel der Geschäftsbanken begrenzt, gegen Vorschläge der US-Notenbank, auch ausländische Banken in Amerika den strengeren US-Kapitalvorschriften zu unterwerfen, sowie gegen die Regulierung von Versicherungen. Die US-Verhandlungsführer, die von Wall-Street-Bankern beraten werden, haben für das Tafta-Abkommen Regeln vorgeschlagen, die den amerikanischen Absichten zuwiderlaufen, toxische Derivate zu verbieten, die Größe der Banken zu beschränken, die „zu groß zum Scheitern“ („too big to fail“) sind, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen und zum Prinzip des Glass-Steagall Act zurückzukehren. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1933, das die institutionelle Trennung von Einlagen- und Kreditgeschäft der Banken einerseits und Wertpapiergeschäft andererseits vorschreibt, hatte die Regierung Clinton 1999 abgeschafft.

2. BSE-Risiko und Handel mit kontaminierter Milch  Im Jahr 2011 registrierte die Internationale Gesundheitsorganisation (WHO) 29 Fälle von boviner spongiformer Enzephalopathie (BSE), 28 davon traten in der Europäischen Union auf. Als Reaktion darauf haben über 50 Länder ihre Importe von europäischem Rindfleisch eingeschränkt. Die im Lobbyverband Business Europe zusammengeschlossenen Unternehmen bezeichnen das US-Importverbot für europäisches Rindfleisch als ein Handelshemmnis, das es zu beseitigen gelte. Auch die Vorschriften zur Qualitätskontrolle bei Milch kritisieren die Giganten des europäischen Agrobusiness als „Hürde“, die im Rahmen von Tafta abgebaut werden müsse.

3. Verschärfung der Abhängigkeit vom Erdöl  Der Arbeitgeberverband Business Europe, dem auch Ölfirmen wie British Petroleum (BP) angehören, kämpft dafür, dass im Rahmen von Tafta Steuererleichterungen für weniger umweltschädliche, alternative Kraftstoffe verboten werden (etwa Brennstoffe auf Algenbasis).

4. Weniger Arzneimittelsicherheit  Die europäischen Pharmaunternehmen wollen, dass die US-Behörde für Lebensmittelüberwachung und Arzneimittelzulassung (Food and Drug Administration, FDA) auf die unabhängige Prüfung von Medikamenten verzichtet, die in den USA verkauft werden. Stattdessen schlagen sie vor, dass in Europa zugelassene Medikamente automatisch auch die US-Zulassung bekommen.

5. Teurere Medikamente  Die Vereinigung forschender Pharmaunternehmen (Pharmaceutical Research and Manufacturers of America, PhRMA), die eine mächtige Lobbyorganisation für Pharmakonzerne wie Pfizer ist, übt Druck aus, dass Tafta US-amerikanische und europäische Behörden hindert, über Kostensenkungen bei staatlichen Gesundheitsprogrammen zu verhandeln. Das Weiße Haus führt bereits entsprechende Maßnahmen durch, um die Arzneimittelkosten für Kriegsveteranen zu senken, und die Regierung Obama bemüht sich um billige Medikamente für ihr Programm Medicare.

6. Angriff auf die Privatsphäre  Mehrere US-Unternehmen drängen darauf, dass Firmen durch Tafta erleichterten Zugang zu persönlichen Informationen erhalten soll, um daraus Kundenprofile zu erstellen (Ortung von Handys und Smartphones, persönliche Daten, Online- und Offline-Informationen).

7. Verlust von Arbeitsplätzen durch den Wegfall der Regel, bei öffentlichen Aufträgen nationale Anbieter zu bevorzugen  Die europäischen Verhandlungsführer und Großunternehmen hoffen, dass Tafta das US-amerikanische Prinzip abschaffen wird, öffentliche Aufträge bevorzugt an nationale und lokale Anbieter zu vergeben (die Politik des „buy american“ und „buy local“). Diese Bestimmungen garantieren jedoch, dass das Geld der amerikanischen Steuerzahler in Projekte fließt, durch die Arbeitsplätze in den USA entstehen.

8. Wegfall der Kennzeichnung von genmodifizierten Produkten  Fast die Hälfte der US-Bundesstaaten verlangt die Kennzeichnung von Produkten, die genetisch veränderte Organismen (GVO) enthalten. Große Saatgutproduzenten wie etwa Monsanto üben Druck aus, dass Tafta diese Vorschrift aufhebt.

9. Gefährliches Spielzeug  Die europäischen Spielzeughersteller, vertreten vom Branchenverband Toy Industries of Europe, räumen ein, dass es Unterschiede zwischen US-amerikanischen und europäischen Sicherheitsvorschriften gibt (vor allem was Entflammbarkeit, chemische und mikrobiologische Belastungen angeht). Sie wollen die amerikanischen Eltern davon überzeugen, dass im Ausland geprüfte Spielzeuge ungefährlich sind.

10. Unterwerfung der Staaten unter ein für die Großkonzerne maßgeschneidertes Recht  Siehe dazu den Artikel auf Seite 19.Lori Wallach

Aus dem Französischen von Ursel Schäfer Lori Wallach ist Direktorin der Verbraucherschutzorganisation Public Citizen in Washington, D. C. und Leiterin von Global Trade Watch: www.citizen.org.

Le Monde diplomatique vom 12.06.2014, von Lori Wallach