13.06.1997

Falsche Nutzung globaler Ressourcen

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Falsche Nutzung globaler Ressourcen

Von RICCARDO PETRELLA *

ES gibt eine Globalisierung, die beherrscht wird von der Kriegs- und Eroberungslogik der kapitalistischen Marktwirtschaft, welche ihrerseits liberalisiert, dereguliert, privatisiert und in hohem Grade von technokratischem und Wettbewerbsdenken geprägt ist. Sich diesem Typ von Globalisierung zu widersetzen, heißt nicht, sich anderen Formen der internationalen Zusammenarbeit und der Globalisierung zu verweigern. Ganz im Gegenteil, denn diese andere Art der Internationalisierung wird täglich, und das seit Jahren, von abertausend Organisationen in aller Welt unterstützt. Sie haben sich neuen Grundsätzen und Formen einer globalen Politik der Kooperation verschrieben und versuchen, diese durchzusetzen.

Diese Organisationen engagieren sich in allen Bereichen, die für die Zukunftssicherung der Menschheit wichtig sind: im militärischen Bereich gegen die Verbreitung von Atomwaffen und für allgemeine Abrüstung, im Umweltbereich für eine nachhaltige Entwicklung gemäß den Empfehlungen der Konferenz von Rio 1992, im Ernährungsbereich für die Beendigung des skandalösen Zustandes, daß 800 Millionen Menschen an Fehl- oder Unterernährung leiden. Stark beteiligt sind diese Gruppen auch am Dialog zwischen den Kulturen und bei der Entwicklung einer wissenschaftlichen und technologischen Forschung, die sich an den menschlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen orientiert. Doch das größte Hindernis für diese Gruppen und Aktivitäten ist genau dieses aktuell vorherrschende Konzept von Globalisierung, das von der unbedingten Priorität ökonomischer Interessen und von der Handlungsfreiheit des Privatunternehmens ausgeht, also auf der Souveränität eines angeblich sich selbst regulierenden Marktes basiert.

Weit davon entfernt, den Einsatz der materiellen und immateriellen Ressourcen unserer Erde zu optimieren oder gar auf die Mobilisierung aller menschlichen Fähigkeiten hinzuarbeiten, führt die Globalisierung im Gegenteil zu einer grundlegend verfehlten Allokation der Ressourcen und zu schamloser Verschwendung. Die Befriedigung der Bedürfnisse unserer Gesellschaft gehört freilich auch nicht zu ihren erklärten Zielen, weshalb ihre angebliche Effizienz nichts als eine absurde Anmaßung darstellt.

Seit US-Präsident Richard Nixon 1971 die Golddeckung des US-Dollars abschaffte und der Dollar seinen Charakter der einzigen Leitwährung verlor hat – und seit 1974 in den Vereinigten Staaten bzw. 1990 in der Europäischen Gemeinschaft die unbeschränkte Anlagemöglichkeit des Kapitals beschlossen wurde – herrscht eine globale Labilität der Währungsverhältnisse. Entstanden ist eine rein spekulative Finanzwirtschaft, die sich immer weiter von der Realwirtschaft und einer ursprünglichen Industriekultur gelöst hat, wenn nicht gar zu ihrem Feind geworden ist. Die Zielsetzung einer kurzfristigen Rentabilität führt mal zu Überproduktionskrisen (Automobil-, Elektrotechnik-, Informatik-, Stahlindustrie), mal zur Unterversorgung (Wohnungsbau, Erziehungswesen, Ernährung), und in einigen anderen Bereichen sogar zum Absinken der Produktivität.

Im Gefolge der Globalisierung entwickeln die Volkswirtschaften befristete, flüchtige (infolge der massiv und allenthalben verkürzten Lebensdauer von Gütern und Dientleistungen) und unsichere Produktionsstrukturen (flexible, meist gezwungenermaßen auf Teilzeitarbeit beschränkte Jobs auf Zeit). Statt einer permanenten Aufwertung der vorhandenen Ressourcen wird damit bewirkt, daß diese so schnell wie möglich veralten, nutzlos und nicht wiederverwertbar werden. Die menschliche Arbeitskraft und die mitmenschlichen Beziehungen werden damit zu bloßen Kostenfaktoren.

Unter dem Vorwand, die „richtigen Ressourcen aus der richtigen Quelle für das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt für den richtigen Konsumenten“ einzusetzen, gelingt es den umfassend vernetzten Multis dank der Globalisierung der Produktionsstrukturen, die mittleren und kleinen Unternehmen intensiv und mit möglichst wenig Aufwand auszubeuten. Letztere werden damit zwangsläufig zu immer krisenanfälligeren Subunternehmen, die nur noch als Profitcenter im Dienste der großen Verbände fungieren. Noch unhaltbarer ist die Lage derjenigen Kleinunternehmen, die zu Subunternehmen größerer Subunternehmen werden. Damit ist das Gefühl, in Unsicherheit gehalten und ausgebeutet zu werden, nicht mehr nur die alltägliche Sorge von Arbeitern, Bauern und freien Mitarbeitern, sie betrifft nunmehr ganz konkret auch die Schicht der Kleinunternehmer.

Reengineering, flexible Produktion, outsourcing, downsizing: all diese neuen Managementmethoden tragen zur Entwicklung des großen weltumspannenden Mechanismus der kapitalistischen Marktbeherrschung bei, dessen einziges Ziel es ist, auf kostengünstigstem Wege einen maximalen Profit aus den Reichtümern der Erde zu schlagen. Ressourcen, Menschen, Gesellschaftsgruppen, Städte und Regionen, ja ganze Länder werden abgeschrieben oder ausgeschlossen, wenn sie von diesem – und für diesen – höllischen Mechanismus nicht als hinreichend rentabel eingeschätzt werden. Daher ihr verzweifelter Kampf, „konkurrenzfähig“ zu bleiben, das heißt schlicht und einfach: zu überleben.

dt. Christian Voigt

* Professor an der Katholischen Universität Louvain, Präsident von „Amis du Monde diplomatique“.

Le Monde diplomatique vom 13.06.1997, von RICCARDO PETRELLA