15.05.1998

Les Amis du Monde diplomatique

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Les Amis du Monde diplomatique

AM 16. Mai trifft sich der Verein „Die Freunde von Le Monde diplomatique“ (Les Amis du Monde diplomatique) in Paris zu seiner zweiten Jahresversammlung. Alle Mitglieder haben die notwendigen Unterlagen erhalten, um an den Diskussionen teilnehmen und vor allem die Arbeitsschwerpunkte für das nächste Jahr festlegen zu können. Für die Redakteure, die alle dem Verein angehören, ist dies eine Gelegenheit zur Begegnung mit den Lesern; hier können sie mit ihnen über die derzeitige Lage und die Projekte der Zeitung sprechen, erfahren, was Lesern auffiel, und Anregungen bekommen.

Aus der Sicht von Le Monde diplomatique ist der Verein wesentlich mehr als ein Anteilseigner der Aktiengesellschaft Le Monde diplomatique SA: Er ist ein Garant der Unabhängigkeit des Blattes, ein anspruchsvoller Partner und ein ausgezeichneter Mittler bei der Verbreitung jener Werte, für die sich die Zeitung einsetzt. Die engen und intensiven Beziehungen – bei gleichzeitiger Respektierung der jeweiligen Zuständigkeiten – schließen „Le Monde diplomatique“ und den Verein der Freunde auf eine Weise zusammen, die in der französischen Medienlandschaft einzigartig ist. Daß sich dieses besondere Verhältnis festigt und entwickelt, ist den Redakteuren ein wichtiges Anliegen.

So ist es den Amis zu danken, daß die politisch-publizistische Linie, die von unserem Redaktionskollegium (das wiederum Teil der Association Gunter Holzmann ist) entwickelt wurde, nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Zwar war die Unabhängigkeit dieser Linie bereits durch die Statuten der Verlagsgesellschaft garantiert, doch mußten diese Statuten abgesichert werden. Dies ist nun geschehen, da die beiden Vereine – „Les Amis du Monde diplomatique“ und die Association Gunter Holzmann – gemeinsam mehr als ein Drittel der Aktien halten, so daß eine Änderung der Statuten ohne ihre Zustimmung künftig nicht mehr möglich ist.

Die rund 9 Millionen Franc Kapitaleinlage der „Freunde“ (umgerechnet knapp 3 Millionen Mark, d. Red.) haben uns einen – keineswegs nur ideellen – Schritt weitergebracht: Wie bei Wahlen eine Stimme mehr oder weniger über Erfolg oder Niederlage entscheiden kann, so vermag in einer Aktiengesellschaft der Besitz einer Aktie mehr oder weniger über Macht oder Ohnmacht zu entscheiden. Nun, da wir unser erstes Ziel – die 33,34 Prozent – erreicht haben, heißt es, so bald wie möglich die nächste Etappe zu erreichen, nämlich die 49 Prozent, die die beiden Vereine gemäß der Vereinbarung halten dürfen, die sie mit Le Monde SA (der Aktiengesellschaft Le Monde) geschlossen haben. Auch wenn sich die Zukunft nicht voraussehen läßt, schon gar nicht im Medienbereich, wo öffentliche Aktienkaufangebote, Fusionen und Übernahmen an der Tagesordnung sind, so läßt sich doch leicht einsehen, daß Anteilseigner, auch wenn sie nicht die Mehrheit des Kapitals halten, mit 49 Prozent mehr Gewicht haben als mit 34 Prozent und daß man dann nicht mehr weit davon entfernt ist, vielleicht in einem nächsten Schritt Hauptaktionär zu werden. Deshalb möchten die Redakteure all jene, die noch nicht Mitglied des Vereins der „Freunde“ sind, bitten, darüber nachzudenken, ob sie es nicht doch werden sollten.

Die Gründe für eine solche Mitgliedschaft liegen im übrigen nicht nur in dem Ziel, möglichst viel Kapital an der AG zu halten (so wichtig dies ist), sie sind vielmehr auch staatsbürgerlicher Art. Um es genauer auszudrücken: Die „Modernisierung“ des politischen Lebens in Frankreich mag ihre guten Seiten haben, doch sollten darüber die drängenden Probleme nicht vergessen werden: Man darf sich nicht abfinden mit der Herrschaft der Finanzwelt, sondern es gilt, einen aktiven Beitrag zur gesellschaftlichen Veränderung zu leisten, und zu diesem Zweck muß nationalen, europäischen und globalen Denkansätzen ein Forum geboten werden, um zu informieren und zu diskutieren.

Sich informieren – Hier versucht Le Monde diplomatique, gemeinsam mit anderen, einen Beitrag zu leisten. Es ist durchaus kein Zufall, daß unsere Zeitung vor mehr als drei Jahren den Begriff des „Einheitsdenkens“ in die Debatte geworfen hat, um die neoliberalistischen Scheuklappen zu charakterisieren, die die meisten Medien ihren Lesern, Zuhörern und Zuschauern anlegen. Die Auffindung, Aufbereitung und Verbreitung von Informationen, die sich dem „Marktjournalismus“ verweigern, verlangen einen täglichen Einsatz. Dies ist einer der Daseinsgründe für unsere Zeitung und ein Grund dafür, daß die „Freunde“ sich deren Verbreitung zur Aufgabe machen.

Debattieren – An geeigneten Orten dafür mangele es nicht, wird mancher sagen, schließlich ist das eine der vornehmsten Aufgaben von Parteien, Gewerkschaften und Vereinen. Gleichwohl: Der große Zuspruch, dessen sich die zahlreichen Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen erfreuen, die in Frankreich wie im Ausland von Mitgliedern unseres Vereins organisiert werden, zeigt, daß der Verein eine wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllt. Er hat, durch die zunehmende Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Initiativen, seine gesellschaftliche „Nische“ gefunden. Vielleicht konnte dies gelingen, weil der Verein keinem Entscheidungs- und Zeitdruck unterliegt und er Menschen, die sich sonst nicht im Rahmen einer Institution zusammenfinden, die Möglichkeit bietet, sich kennenzulernen und sich auszutauschen.

Das große Diskussionsprojekt „Den Staatsbürgergedanken wiederbeleben“ („Reconstruire la citoyenneté“), das der Präsident der „Freunde“, Riccardo Petrella, als Hauptaktivität für 1998/99 vorschlägt, dürfte die Basis des Vereins erweitern und seinen Einfluß stärken – und gleichzeitig den von Le Monde diplomatique, das diese Initiative nach Kräften unterstützt. So könnte jeder Leser den Wunsch entwickeln, sich dieser gemeinsamen Arbeit anzuschließen.

Handeln – Hier liegt eine der Grenzen des Vereins, der nicht beabsichtigt, die Rolle einer Partei, Gewerkschaft oder anderer Organisationen einzunehmen, die das politische Leben strukturieren. Dies bedeutet jedoch keineswegs, daß die „Freunde“ und die Zeitung sich aus dem politischen Leben heraushalten; nur ist ihre Beteiligung von anderer Art: sie erarbeiten Ideen, Analysen und Vorschläge, die die öffentliche Debatte beleben, die politischen Akteure beeinflussen und sich vom Dauerton der Medien abheben sollen, wie kürzlich im Zusammenhang mit dem Multilateralen Abkommen über Investitionen (MAI) geschehen. Dabei ist Unabhängigkeit oberstes Gebot, vor „Vereinnahmung“ fürchten wir uns nicht: Es ist nur gut, wenn diese Ideen, Analysen und Vorschläge ihren Weg machen und in neuen Zusammenhängen wieder auftauchen! Die Attac-Initiative, die auf ein großes Echo gestoßen ist, ist ein gutes Beispiel für den Handlungswillen unserer Leser, und das gibt Hoffnung, daß die konkrete Organisierung, die nun folgen muß, auch wirklich geschieht. Die „Freunde von Le Monde diplomatique“ jedenfalls werden eine der treibenden Kräfte bei dieser Initiative zur Schaffung einer Steuer zur Bürgerhilfe bleiben, zumal Attac Teil des Projekts zur Wiederbelebung des Staatsbürgergedankens ist. Bedarf es noch weiterer Argumente, um auch den letzten unserer Leser davon zu überzeugen, daß er gemeinsam mit uns seinen Platz hat bei den „Amis du Monde diplomatique“?

Kontaktadresse: Association des Amis du Monde diplomatique, BP 461-07, F-75327 Paris

Le Monde diplomatique vom 15.05.1998