12.03.1999

Betr.: Jordanien

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Betr.: Jordanien

Die zahlreichen Staatschefs, die König Hussein im Februar das letzte Geleit gaben, taten dies weniger, um einen allseits geachteten Staatsmann zu würdigen, als vielmehr aus Besorgnis um die Zukunft der Region. Denn Jordanien steht im Zentrum der Widersprüche, die den Nahen Osten bewegen. Anlaß zur Beunruhigung geben auch die Umstände, unter denen Prinz Hassan abgesetzt und durch Husseins ältesten Sohn Abdallah ersetzt wurde.

Der neue Souverän tritt ein schwieriges Erbe an. In diesem Land, dessen Bevölkerung mehrheitlich palästinensischer Herkunft ist, sorgt man sich zu Recht wegen der Fehlschläge in den Friedensverhandlungen in Israel. Was wird aus Jordanien, wenn das Oslo-Abkommen scheitert, wenn die Rechten die israelischen Wahlen gewinnen, oder wenn Jassir Arafat am 4. Mai 1999 einen unabhängigen palästinensischen Staat ausruft? Die Beziehungen zur PLO sind weiterhin kompliziert, wie die trockene Abfuhr König Abdallahs nach der jüngsten Erklärung Arafats zugunsten einer jordanisch-palästinensischen Konföderation gezeigt hat. In Amman hat man nicht vergessen, daß für einen Teil der israelischen Rechten bereits ein palästinensischer Staat in der Gestalt Jordaniens existiert und die Palästinenser darin eine führende Rolle spielen sollten.

Verstärkt wird die Ungewißheit durch den bevorstehenden Generationenwechsel in weiteren Ländern der Region: in Syrien, Palästina, Saudi-Arabien und vielleicht auch im Irak. Die Annäherung Husseins an eine politisch-militärische Achse zwischen der Türkei und Israel stieß in der arabischen Welt auf heftigen Widerstand. Die noch vor dem Tod König Husseins geplante Reise von Hafis al-Assad nach Amman unterstrich die Bedeutung, die dem haschemitischen Königreich in der Region beigemessen wird.

Welche Politik wird König Abdallah einschlagen? Das Land hat sich seit den fünfziger Jahren, als sein Vater König wurde, deutlich verändert. Der neue König muß sich auf die mittlerweile entstandene Öffentlichkeit, auf aktive politische Parteien und eine wachsame Presse einstellen. Und er muß sich in einem unsicheren regionalen Umfeld bewegen, das sich teils an einem unumgänglichen Bündnis mit den USA orientiert, teils an einer öffentlichen Meinung, die sich als Teil der arabischen Nation definiert. Der Grat ist auch deshalb so schmal, weil der Weg Jordaniens weniger von der Strategie des Monarchen abhängt als von den Entwicklungen in der Gesamtregion. A. G.

Le Monde diplomatique vom 12.03.1999, von A. G.