12.05.1995

DER ERSTE FILM ZUM HOLOCAUST

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DER ERSTE FILM ZUM HOLOCAUST

WANDA JAKUBOWSKA ist eine Pionierin des Films; sie ist eine Überlebende von Auschwitz, die bereits 1947 ihren ersten Film über das erlebte Grauen macht. Bei einer Razzia gegen den polnischen Widerstand verhaftet und eingesperrt, weiß sie vom Betreten des Lagers an, daß sie über diese Hölle Zeugnis ablegen will. Die gefangenen Frauen berichten ihr die Ereignisse innerhalb des Lagers, und sie „notiert“ sich alles im Kopf. Gleich nach ihrer Flucht im Januar 1945 schreibt sie das Drehbuch und erhält Unterstützung von Mikhail Kalatazow, der 1967 den Film „Wenn die Störche kommen“ drehte.

1948 gelangt Wanda Jakubowskas Film „Die letzte Etappe“ erstmals zur Aufführung. In der ganzen Welt wird dieser Film wegen seiner außergewöhnlichen Authentizität gelobt. Alain Resnais wird einige Szenen in „Nacht und Nebel“ wieder aufgreifen. Der in Frankreich breit vertriebene Film wird während des Kalten Krieges zum Gegenstand heftiger Polemiken; seine Widersacher bezeichnen ihn als einen Propagandafilm, der den kommunistischen Widerstand innerhalb der Lager aufwerte. Als der Film kürzlich auf dem 17. Frauenfilmfestival in Créteil wieder vorgeführt wurde, vernahm Wanda Jakubowska abermals diese Vorhaltungen, wenngleich die meisten Zuschauer und Zuschauerinnen sie zu diesem bewegenden Werk beglückwünschten und ihre Entscheidung guthießen, die Greuel lediglich angedeutet und nicht in ihrer ganzen unerträgliche Brutalität dargestellt zu haben.

BRIGITTE PÄTZOLD

Le Monde diplomatique vom 12.05.1995, von Brigitte Pätzold