16.03.2001

Zum Beispiel Bangladesch

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Zum Beispiel Bangladesch

DASS die erste Weltkonferenz für die Gesundheit der Menschen gerade in Bangladesch stattfand, hat seinen guten Grund in einer außergewöhnlichen gesundheitspolitischen Einrichtung: dem Gonoshasthaya Kendra oder „GK“ (bengalisch für Volksgesundheitszentrum). Das erste Zentrum wurde 1971 von Dr. Zafrullah Chowdhury in einem Landkrankenhaus ins Leben gerufen. Heute beschäftigt das GK insgesamt rund 2 000 medizinische Hilfskräfte, die tagtäglich in den Reisfeldern, in Dörfern, Elends- und Prostituiertenvierteln unterwegs sind.

1982 nahm Präsident Hussain Mohammad Ershad auf Anregung von Dr. Zafrullah eine ausgesprochen ehrgeizige Gesundheitspolitik in Angriff. Heute kommen 80 Prozent der in Bangladesch verabreichten Medikamente aus heimischer Produktion (gegenüber 20 Prozent vor zwanzig Jahren). GK hat eine eigene Medikamentenfabrik für Generika und eine Antibiotikafabrik errichtet, deren Angestellte größtenteils Frauen aus armen Dörfern und allein erziehende Mütter sind.

1988 versuchte General Ershad, ebenfalls auf Anregung von Dr. Zafrullah, Krankenhausärzten die zusätzliche private Berufsausübung zu untersagen – was nicht unwesentlich zu seinem Rücktritt beitrug und GK sowie seinem Gründer dauerhafte Feindschaften eingetragen hat. Zweimal hintereinander wurde die Medikamentenfabrik von Berufskillern angegriffen. Unter dem Regime von Khaleda Zia haben in den Neunzigerjahren Pharmamultis und Weltbank – im Schulterschluss mit dem Ärzteverband von Bangladesch – beständig auf die Zerschlagung der nationalen Medikamentenpolitik hingearbeitet.

Die Antibiotikafabrik der GK deckt heute noch 80 Prozent des landesweiten Bedarfs. Die Liste der vormals 220 wichtigsten Medikamente, die der Preiskontrolle unterstehen, wurde dagegen auf 117 zusammengestrichen. Zudem sind auch wieder unnötige, ja sogar gefährliche Arzneien im Angebot, die in den Achtzigerjahren verboten waren. „Unsere Medikamentenpolitik wurde unter dem Druck der Weltbank geschwächt, auch wenn sie sich nach wie vor sehen lassen kann“, meint bedauernd Dr. Zafrullah Chowdhury, den seine Landsleute „den barfüßigen Arzt“ nennen.

Ph. D.

Le Monde diplomatique vom 16.03.2001, von Ph. D.