12.10.2001

Bilder mit rechten Zutaten

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Bilder mit rechten Zutaten

DIE zehn Bände, die Yoshinori Kobayashi von seinem „Manifest für ein neues Stolzbewusstsein“ in der Zweimonatszeitschrift Sapio bislang veröffentlicht hat, folgen alle demselben Strickmuster. Die Hauptfigur – die dem Autor auch äußerlich ähnelt: zurückgekämmtes Haar, Nickelbrille, stets in Schwarz gekleidet – orchestriert die Erzählung wie ein Moderator seine Talkshow. Voll Zorn über die herrschende Ungerechtigkeit und die im Umlauf befindlichen Unwahrheiten, stellt er Nachforschungen an, er erzählt, ereifert und empört sich, er beschimpft den Leser, um ihn von seiner Meinung zu überzeugen, er überhäuft ihn mit Sarkasmen, womit seine Erzählung ausgesprochen lebendig, aber auch provokativ wirkt.

Die Rede dieses Helden beginnt stets mit demselben Satz: „Erlauben Sie mir, dass ich mein Stolzbewusstsein zum Ausdruck bringe.“ „Stolzbewusstsein“ ist für Kobayashi ein Synonym für Charakterstärke, für den Willen, Schluss zu machen mit jener krankhaften „Mitleidslogik“, die sich Japan seit seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg angeblich auferlegt hat.

In einer Auflage von über 600 000 Exemplaren erschien im Verlag Gentosha 1998 der Band „Über den Krieg“, der bis heute in vielen Buchhandlungen zu den bestverkauften Büchern zählt. Am Anfang steht die bekannte Hauptfigur auf dem Balkon und sagt, auf die Stadt herabblickend: „Es herrscht Friede, und doch kennt niemand die wahre Natur des Friedens.“ Denn das Gegenteil von Krieg sei nicht Frieden, sondern „Ordnung“. Und schon beginnt unser Lehrmeister, der Jugend zu erzählen, wie es damals im Krieg so war. So wie der alte Vergil mit uns durch Dantes Inferno wandert, führt er uns durch die Abgründe des „wahren Kriegs, der den Japanern wunderbare Anfangssiege brachte und der in der tragischen Schönheit der letzten, verlorenen Schlacht endete“. „Nehmt eure Elektroden ab“, ruft er seinen Lesern zu, „dieser Krieg war ein gerechter Krieg“ – in Anspielung auf den Elektrodenhelm, den die Mitglieder der Aum-Sekte trugen, um in permanentem Kontakt mit ihrem Guru zu stehen.

In seinem Band „Über den Krieg“ greift Kobayashi die bekannten Themen der vorangegangenen Comics wieder auf. Auch hier entlarvt er den Individualismus, der seinen Landsleute allen Bürgersinn ausgetrieben habe, und prangert den „Informationskrieg“ der Linken und der Medien an, die die Wahrheit über die Vergangenheit angeblich unter ihren Lügen begraben: „Die fügsamen Bürger werden von den Marxisten manipuliert.“

Ein besonders wichtiges Anliegen ist Kobayashi die Botschaft, dass der Krieg „gerecht“ und zuallererst „ein Krieg gegen die weißen Rassisten“ gewesen sei, die damals Asien kolonisiert gehalten hätten. Ihnen habe die japanische Armee eine Lektion erteilt, die Beifall verdiene. Die Uminterpretation des Expansionskriegs zu einem Befreiungskampf der Völker Asiens geht auf die Rechtsintellektuellen der Nachkriegszeit zurück, zu deren bekanntesten Vertretern der Schriftsteller Fusao Hayashi (1903–1975) gehörte.

Kobayashi leugnet auch ohne Umschweife eine der schrecklichsten Gräueltaten der kaiserlichen Armee: das Massaker von Nanking. „Wenn es ein erlogenes Verbrechen vor dem Internationalen Tribunal von Tokio gab, dann die Episode von Nanking. [. . .] Die Sieger brauchten ein Verbrechen, das die 300 000 japanischen Toten von Hiroschima und Nagasaki aufwog.“

Über die „Trostfrauen“ – die 200 000 zur Prostitution für die japanische Soldateska gezwungenen Asiatinnen – äußert sich Kobayashi in Band 3 seines „Manifests“, wo er die Arbeiten des Historikers Yoshiaki Yoshimi, der die Verantwortung des Generalstabs anhand von Dokumenten aus Militärarchiven nachgezeichnet hat, kurzerhand beiseite schiebt. In seinem letzten Band, „Über Taiwan“, behauptet er sogar unter Berufung auf eine chinesische Quelle, die Zwangsprostituierten seien schon vorher im Gewerbe tätig gewesen: „Trostfrau zu werden kam für sie einer Beförderung gleich, da sie lieber in Militärbordellen arbeiteten als in zivilen.“ Ph. P.

Le Monde diplomatique vom 12.10.2001, von Ph. P.