Archiv: Texte

In unserem Textarchiv finden Sie alle Artikel aus der deutschen Ausgabe seit 1995. Ausgenommen sind die Artikel der letzten drei Ausgaben.
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Ausgabe vom 15.03.2002


  • Madagaskar ist seit Monaten in Aufruhr. Nach den Präsidentschaftswahlen vom 16. Dezember 2001 hat sich der erfolgreiche Unternehmer Marc Ravalomanana zum Sieger ausgerufen. Er weigert sich, zu einem zweiten Wahlgang anzutreten, und hat die Bevölkerung zum Generalstreik aufgerufen, um gegen den angeblichen Wahlbetrug zu protestieren. Sein Gegenspieler wiederum, der alte Staatschef Didier Ratsiraka, hat den Staatsnotstand ausgerufen und sich in die Küstenstadt Toamasina geflüchtet. Dort haben sich die Gouverneure von fünf Provinzen für autonom erklärt und dem „Rebellenpräsidenten“ Ravalomanana die Gefolgschaft verweigert. Damit droht ein Konflikt, der die kulturelle und politische Einheit Madagaskars gefährden könnte.Von
    JEAN-AIMÉ RAKOTOARISOA
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  • Von
    Ignacio Ramonet
  • Gameshows nach westlichem Vorbild beherrschen die türkische Fernsehlandschaft. Auf den Bildschirmen sind flotte junge Akademiker aus dem urbanen Westen des Landes zu sehen, die vor rund um die Uhr laufenden Kameras versuchen, vom staatlichen Mindestlohn zu leben. Das Fernsehpublikum im armen Anatolien sieht zu und zieht seine Schlüsse.Von
    NICOLAS MONCEAU
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  • Vierhundert Jahre liegen zwischen der Aktion eines Bauern aus der Umgebung von Florenz, der die Glocken läuten ließ, um den Tod der Gerechtigkeit zu verkünden, und dem Erstarken der Bewegung für eine andere Art der Globalisierung. Dennoch geht für José Saramago der Vorstoß in die gleiche Richtung: Das sagte der portugiesische Schriftsteller und Nobelpreisträger am 19. Januar 2002 anlässlich einer Versammlung von sechstausend Globalisierungsgegnern in Paris. Der Text dieser Rede wurde auch auf der Abschlussveranstaltung des Weltsozialforums in Porto Alegre am 5. Februar verlesen.Von
    JOSÉ SARAMAGO
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  • DIE Opiumstraße zwischen den afghanischen Mohnfeldern und dem europäischen Heroinmarkt verläuft durch den Iran. Die Islamische Republik führt an ihrer Ostgrenze einen regelrechten Krieg gegen die Drogenschmuggler, sie hat dort ein Zehntel all ihrer Ordnungskräfte stationiert. Doch die Grenzgebiete sind zu weitläufig, die Kontrollen zu durchlässig, die Gewinne zu enorm, als dass sich der Handel erfolgreich eindämmen ließe. Im Iran selbst nimmt der Drogenkonsum beängstigende Ausmaße an. Die einzig denkbare Lösung liegt aber jenseits der Grenze in Afghanistan. Die internationale Gemeinschaft müßte den Bauern in dem zerstörten Land eine andere Entwicklungsperspektiven zu bieten.Von
    CÉDRIC GOUVERNEUR
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  • ERST kürzlich, am 20. Februar dieses Jahres, hat General Wladimir Moltenskoi, Chefkommandant der russischen Streitkräfte, erneut erklärt, die russische Armee werde ihre Operationen in Tschetschenien fortsetzen – „bis zum endgültigen Sieg über den Terrorismus, der nach wie vor eine Rückkehr der Republik in die Normalität verhindert“. Auch mit derart martialischen Erklärungen wird es Moskau nicht gelingen, sich aus dem tschetschenischen Sumpf zu ziehen: Die Gräueltaten der Armee verhindern derzeit jegliche mögliche Zusammenarbeit. Doch früher oder später wird man an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen.Von
    VICKEN CHETERIAN
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  • UNTER dem Eindruck der Ereignisse vom 11. September plädiert die Chikagoer Philosophin Martha Nussbaum dafür, die nationale Selbstwahrnehmung neu zu reflektieren und mehr Mitgefühl zu entwickeln: mit den Angehörigen der Feuerwehrleute, mit dem Taxifahrer, der ein Sikh ist, ebenso wie mit all jenen, die in fernen Ländern unter den Kriegsfolgen leiden. Eine Erziehung zum Mitgefühl aber basiert darauf, Wissen über andere Länder und Kulturen so zu vermitteln, dass diese auch emotional zur Kenntnis genommen werden können. Es ist einer der ersten Texte, der sich differenziert mit den notwendigen Konsequenzen aus den Anschlägen beschäftigt.Von
    MARTHA NUSSBAUM
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  • DER Frauenanteil in der französischen Nationalversammlung hat sich von einer Legislaturperiode zur nächsten praktisch verdoppelt. Für die kommenden Parlamentswahlen gilt darüber hinaus das neue Gleichstellungsgesetz, das Frauen den Zugang zu politischen Mandaten erleichtert. Untersuchungen im nationalen und in kommunalen Parlamenten und Exekutiven zeigen aber, dass ein höherer Frauenanteil die repräsentative Demokratie mitnichten demokratisiert – praktisch nur Frauen aus den gesellschaftlich privilegiertesten Schichten erringen politische Mandate. Dennoch dürfte die Feminisierung der Parlamente in der politischen Agenda neue Akzente setzen.Von
    MARIETTE SINEAU
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  • VOR 50 Jahren wurden in Frankreich die Filmkunstkinos gegründet – les Cinémas d’Art et d’Essai. Diese Kinos waren es, die die Filme der Nouvelle Vague bekannt machten. Godard, Melville oder Truffaut fanden hier ihr Publikum ebenso wie Woody Allen, Michelangelo Antonioni oder Aki Kaurismäki – und nicht zuletzt arabische und iranische Filme. Zwar hat Frankreichs Kinowelt im letzten Jahr steigende Besucherzahlen zu verzeichnen, wobei auch die Filmkunstkinos zugelegt haben; doch der Kampf um die Marktanteile tobt, und die großen Ketten gefährden die auf kulturelle Vielfalt setzende Arbeit engagierter Filmtheatermacher. Ihr Kampf gegen das reine Konsumkino ist noch nicht gewonnen.Von
    PHILIPPE LAFOSSE
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  • AUCH Erwachsene brauchen Märchen. Die Faszination, die von irrealen Welten im Breitwandformat ausgeht, hat in den letzten Jahren nicht nachgelassen – sosehr sich auch der Publikumsgeschmack verändert haben mag. Fantasy und Mystizismus feiern im Kino Triumphe und schaffen ein kollektives, fast weltweites Gefüge von Bildern und Vorstellungswelten. Für die Zuschauer, so die These des Psychoanalytikers Serge Tisseron, bietet das Kino des Wunderbaren nicht nur Ablenkung von alltäglichen Schwierigkeiten, sondern auch einen Ausweg aus der Vereinzelung. Die Bilder der eigenen Fantasie, der Angst und der Träume verlieren ihren Bann und ihre Unheimlichkeit.Von
    SERGE TISSERON
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  • DIE Idee von der reinen Gegenwart und höchster Flexibilität bestimmt zunehmend das Leben. Doch auch wenn Einstein die Newton’sche Zeittheorie relativiert hat, gilt für unser menschliches Dasein nach wie vor das Gesetz von der Unumkehrbarkeit der Zeit. Wir sind eben nicht schneller als das Licht. Da es in den hoch technisierten Gesellschaften immer weniger Arbeit gibt, könnten und müssten wir uns mit den langfristigen Herausforderungen befassen, die im 21. Jahrhundert auf uns zukommen: dem Management des Unvorhersehbaren und der Entwicklung einer Zukunftsethik, die sich der Verantwortung für die nachfolgenden Generationen stellt.Von
    JÉRÔME BINDÉ
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  • VON abgereichertem Uran (DU) als Gefahrenquelle für die Gesundheit der Bevölkerung war bislang im Afghanistankrieg noch nicht die Rede. Nun hat ein britischer Experte erstmals auf die Möglichkeit einer Kontaminierung hingewiesen. Anders als beim Krieg um das Kosovo, wo DU in den gehärteten Köpfen der Massenmunition enthalten war, geht die Gefahr in Afghanistan von den schweren Lenkwaffen aus, die wie der „Bunker Buster“ GBU-28 von der US-Luftwaffe gegen die Höhlenstellungen der Taliban eingesetzt wurden. Der fortdauernde Krieg in Afghanistan eröffnet dem Pentagon damit auch ideale Testmöglichkeiten für DU-Waffen, die in künftigen Kriegen immer wichtiger werden.Von
    ROBERT JAMES PARSONS
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  • Von der Entwicklung der Bomben bis zu ihrer Verwendung im Namen der Zivilisation: Der Essay „Und tot bist du“ erzählt die Geschichte des Bombardierens.Von
    SVEN LINDQUVIST
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  • DIE Kriegsrhetorik des George W. Bush bereitet atmosphärisch einen Feldzug gegen Staaten vor, die angeblich eine „Achse des Bösen“ bilden. Darin konkretisiert sich aber auch die im Januar 2002 formulierte neue Militärdoktrin, wonach die USA in der Lage sein sollen, vier und nicht nur zwei begrenzte Kriege gleichzeitig zu führen. Diese neuen Ziele der US-Verteidigungspolitik rechtfertigen nicht nur global erhöhte Militärausgaben. Die angestrebte „strategische Kontrolle über die Problemstaaten“ steht außerdem im Zusammenhang mit dem nationalen Raketenabwehrsystem (NMD), das die Unverwundbarkeit des US-amerikanischen Territoriums garantieren soll.Von
    PAUL-MARIE DE LA GORCE
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  • NACH zehn Jahren permanenten Wachstums steckt die amerikanische Wirtschaft derzeit erstmals wieder in einer Rezession. In den Neunzigerjahren, als die Wachstumsraten stabil waren, nahm die durchschnittliche Arbeitszeit der Beschäftigten deutlich zu, außerdem erlebten sie eine Neubestimmung ihres Verhältnisses zur Unternehmensführung. Von „Ausbeutung“ war nicht mehr die Rede – „Zusammenwirken“ lautete die neue Parole. Lohnerhöhungen gab es nicht, dafür wurde jeder Mitarbeiter zum „Manager“ befördert. Und heute halten sich die amerikanischen Großunternehmen zugute, dass sie – vom Platz im Theater über den Hemdendienst bis hin zur Trauerberatung – eine Rundumversorgung anbieten, damit ihre Mitarbeiter Höchstleistungen erbringen.Von
    IBRAHIM WARDE
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  • DIE 15 Jahre Militärdiktatur haben die Universitäten Nigerias, die mit ihrem hoch qualifizierten Lehrkörper früher zu den besten Afrikas gehörten, so gut wie ruiniert. Ihr Verfall spiegelt die soziale und politische Verfassung eines Landes, das immer wieder von ethnischen Konflikten gebeutelt wird. An der Obafemi Awolowo University (OAU) in Ile Ife befassen sich die Studenten heute mit Modellen der „neuen Demokratie“, doch bei vielen ist der Idealismus einem Pragmatismus gewichen, der die Wirklichkeit gern verdrängt. Nun sollen die Universitäten in den Demokratisierungsprozess einbezogen werden, auch wenn die Strukturanpassungsmaßnahmen einem neuen Aufbruch enge Grenzen setzen.Von
    JEAN-CHRISTOPHE SERVANT
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  • HEFTIGE Angriffe und große Hoffnungen begleiten die Arbeit der Israelisch-Palästinensischen Friedenskoalition. Mit dem folgenden gemeinsamen Aufruf wenden sich der Israeli Jossi Beilin und der Palästinenser Jassir Abed Rabbo an die internationale Öffentlichkeit. Die beiden Politiker, die sich schon bei den Verhandlungen zu den Osloer Abkommen gegenübersaßen, wollen eine Art „dritte Partei von innen“ etablieren, die bei den von ihr geforderten neuen Friedensverhandlungen für den Nahen Osten mit den beiden gegnerischen Parteien am Verhandlungstisch sitzt. Einen entscheidenden neuen Impuls sehen sie in dem gemeinsam erarbeiteten Konzept zur wechelseitigen Stärkung beider Seiten.Von
    JASSIR ABED RABBO
    und
    JOSSI BEILIN
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  • SEIT im Januar die Resolution der Reserveoffiziere gegen die israelische Besatzungspolitik publik wurde, werden die gewaltsamen Übergriffe der israelischen Armee auch im eigenen Lande zunehmend kritisch gesehen. Die Risse in der Gesellschaft werden damit immer deutlicher sichtbar. Nach langer Zeit kam es wieder zu Friedensdemonstrationen, und die Israelisch-Palästinensische Koalition für den Frieden findet zunehmend Anhänger. Die Weigerung von Offizieren und Soldaten, sich in den besetzten Gebieten einsetzen zu lassen, findet bei vielen Israelis Verständnis. Und sie beunruhigt das politische Establishment, das sich fragen muss, ob seine militärische Logik langfristig durchzuhalten ist.Von
    JOSEPH ALGAZY
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  • Von
    ISABELLE AVRAN
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  • ALS Junichiro Koizumi im Frühjahr 2001 zum neuen Premierminister gewählt wurde, erhoffte man sich in Japan frischen Wind – nachdem die „alte Garde“ der Liberaldemokraten fünfzig Jahre lang das politische System blockiert hatte. Doch der grundlegende Wandel steht noch aus, und nicht zuletzt die wirtschaftlichen Probleme sorgen dafür, dass der äußerst liberale Koizumi in der Gunst der Japaner sinkt. Als Reaktion auf die Wirtschaftskrise und die hohen Lebenshaltungskosten suchen die Japaner – insbesondere die Generation, die in den Siebzigern zwanzig Jahre alt war – tiefere menschliche Beziehungen und ein andere Lebensweise.Von
    ANNE GARRIGUE
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  • Von
    CHALMERS JOHNSON
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